Schwaben-Hass
war lächelnd darüber hinweg gegangen, hatte sich nicht davon beeindrucken lassen, die Anrufer abgewimmelt, schlicht und einfach nicht ernst genommen.
»Hatte er Feinde?«, hakte Braig also noch einmal nach.
»Niemand kann es allen recht machen«, antwortete Ilka Breidle mit giftigem Unterton, »auch Sie nicht.«
»Das war keine Kritik, nur eine sachliche Feststellung«, rechtfertigte er seine Frage.
Sie griff wieder zu ihrem Glas, trank, drehte es in ihren Händen. »Ja, Sie haben Recht, er hat von Drohungen erzählt«, erklärte sie dann beschwichtigend, »aber das muss nicht gleich tödliche Feindschaft bedeuten.«
»Sicher nicht, nein. Trotzdem: Kamen die Drohungen auch an Ihre Privatadresse?«
Ilka Breidle zuckte verlegen mit der Schulter. »Mir ist nichts bekannt. Er hat nur davon erzählt, dass im Sender Anrufe kamen. Gegen ihn, im Zusammenhang mit seiner Moderation.«
»Sie wissen nicht, ob er unsere Kollegen verständigt hat?«
»Die Polizei? Mein Mann doch nicht! Das hat er nicht nötig. Er steht über solchen Dingen.« Schmerz und Verbitterung lagen in ihrer Stimme.
»Er hat die Polizei nie um Hilfe gebeten?«
»Sie kennen ihn nicht, haben wirklich keine Ahnung. Der braucht Ihre Hilfe nicht.«
Niemand mehr als er, überlegte er. Schau dir das Ergebnis an. Vielleicht hätten wir es verhindern können, hätte er die Kollegen informiert.
»Er nimmt das nicht ernst, lacht darüber, tut die Anrufe als pubertäre Spinnereien minderbemittelter Idioten ab«, fuhr sie fort.
»Womit er sich offensichtlich täuschte«, konterte Braig trocken.
Sie betrachtete ihn mit starrer Miene, schwieg.
»Sie kennen den Inhalt dieser Drohungen?«
Ilka Breidle stellte ihr Glas auf den Tisch. »Nein. Sie haben mit seinen verrückten Sprüchen im Radio zu tun. Mein Gott, er wächst über sich selbst hinaus, sobald er vor einem Mikrofon sitzt. Er ist nicht mehr zu bremsen, spielt den großen King. Wenn Sie das ernst nehmen, was er da so von sich gibt …« Sie ließ den Rest offen, schüttelte den Kopf. »Fragen Sie im Sender. Vielleicht haben die eine Ahnung.«
Braig nickte, dachte an den Mord in Winnenden. »Kennen Sie einen Mann namens Nuhr?«, fragte er.
Die Frau schüttelte den Kopf. »Nuhr? Wer soll das sein?«
»Ein Journalist aus Berlin, Redakteur bei der tageszeitung. Sozusagen ein Kollege Ihres Mannes.«
»Nie gehört. Hat er etwas mit dem …« Sie verstummte, blickte Braig fragend an.
»Auch der wurde heute Mittag ermordet. Auf eine ähnliche Weise …« Sie würde es sowieso erfahren. Spätestens heute Abend oder morgen früh aus den Nachrichten oder der Zeitung. »Sie wissen genau, dass Ihr Mann ihn nicht kannte?«
Ilka Breidle zuckte mit der Schulter. »Was heißt genau?« Sie starrte auf den Boden, schüttelte den Kopf. »Aus Berlin ist der Mann? Was soll Hans mit Berlin zu tun haben?«
»Wir wissen es nicht. Ich habe keine Ahnung, womit Ihr Mann sein Geld verdiente – außer den Moderationen im Radio. Soweit ich weiß, hat er erst seit ein paar Monaten ein größeres Engagement bei dem Sender. Das reichte bisher doch kaum zum Leben, die paar Stunden, oder?«
»Er hat sein Büro.«
»Büro? Wo?«
»In Stuttgart. Als Journalist.« Sie gab ihm die Adresse. »Olgastraße.«
Braig zog einen Schlüsselbund aus seiner Tasche, zeigte ihn ihr.
»Dann gehören diese Schlüssel zum Büro? Wir fanden sie bei ihm.«
Ilka Breidle nickte.
»Dürfen wir sie noch einen Tag behalten? Ich würde mir das Büro gern ansehen. Vielleicht stoßen wir dort auf irgendwelche Spuren.«
»Wenn es Ihnen weiterhilft.« Sie hatte nichts dagegen einzuwenden.
Irgendwie irritierte es Braig, dass Frau Breidle den Tod ihres Mannes ignorierte, in der Gegenwartsform von ihm sprach. Aber er wollte jetzt nicht darauf eingehen. »Für wen arbeitete Ihr Mann? Ich meine, außerhalb des Senders?«
»Er schreibt Artikel für verschiedene Zeitungen. Wie es sich ergibt.«
»Für welche Zeitungen? Er hatte keine festen Verträge?« Braig blickte die Frau misstrauisch an.
Sie lachte kurz auf. »Hans ist kein Mensch, der sich gern anbinden lässt. Er arbeitet frei. Lift, Prinz, Stuttgarter Zeitung, Stuttgarter Nachrichten, samt den angeschlossenen Lokalzeitungen – er schreibt für alle. Sofern sie ihm die Artikel auch abnehmen.«
»Wer hatte Zugang zu seinem Auto? Sie?«
Ilka Breidle winkte ab. »Sie sind gut. Sein BMW ist sein Heiligtum. Da darf niemand ran. Ich sowieso nicht. Ich habe keinen Führerschein.«
Er schaute sie
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