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Schwaben-Herbst

Schwaben-Herbst

Titel: Schwaben-Herbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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etwas habe ich gedacht. Das muss er gewesen sein.«
    »Ein hellgrüner PKW«, wiederholte Braig, »Sie wissen nicht zufällig den Typ?« Ein A-Klasse Daimler, hatte Konrad Umgelter heute Morgen voller Nachdruck erklärt. Er war sich ziemlich sicher gewesen.
    »Derselbe wie Sabine«, sagte die Frau.
    »Sabine?«
    »Sabine Hegner. Meine Freundin.«
    »Ach so, ja.« Er musste die Frau anrufen, welches Auto sie fuhr. Ob sich das Überfall-Opfer richtig erinnerte oder nicht. Sie hatte ihm ihre Telefonnummer gegeben.
    »So ein Daimler«, sagte Marianne Reisch, »ein kleiner Daimler. Genau.«
    Dann hatte Umgelter tatsächlich richtig beobachtet. Endlich eine Spur, die unabhängig von zwei Seiten bestätigt wurde. Vielleicht gelang es doch, den Täter über sein Fahrzeug zu ermitteln. Braig spürte die Anspannung wie eine schwere Last von seinen Schultern fallen, suchte nach weiteren Fragen, die Hinweise auf die Identität des Mannes liefern konnten. »Er ist mehrmals an Ihnen vorbeigefahren«, griff er ihre Aussage auf. »Das Kennzeichen. Haben Sie irgendetwas erkennen können?«
    Die Frau musste nicht lange überlegen. »Wie sollte ich? Ich war dabei, die Zeitungen zu verteilen. Möglichst schnell, um wieder nach Hause zu kommen. Es ist purer Zufall, dass ich das Auto wahrgenommen habe. Aus den Augenwinkeln, nicht mit voller Konzentration, das habe ich erwähnt. Ich konnte doch nicht ahnen, dass der mich überfallen will.«
    »Nein, natürlich nicht.« Er nahm ihre Antwort ohne Anflug von Enttäuschung auf, war sich von Anfang an bewusst gewesen, dass dieses Wissen weit außerhalb ihrer Möglichkeiten lag. Der Täter hatte, darüber war er heute Morgen von Konrad Umgelter informiert worden, das Auto in gebührendem Abstand zum Ort seines Überfalls geparkt, wahrscheinlich um allen Risiken, enttarnt zu werden, vorzubeugen. Immerhin war ihnen der Fahrzeugtyp, vielleicht sogar die Farbe, inzwischen trotzdem bekannt.
    Er hörte die Frau vor Schmerzen laut stöhnen, schaute beunruhigt auf ihr bandagiertes Gesicht. »Wird es Ihnen zuviel?«
    Sie ließ ihn ohne Antwort, brummte leise vor sich hin. »Die Kopfschmerzen«, jammerte sie dann, »die schrecklichen Kopfschmerzen.«
    Er wusste nicht, ob er es riskieren durfte, sie noch länger mit seinen Fragen zu belästigen, beschloss, noch ein paar Minuten zu warten, ob sie sich wieder beruhigte, hatte Glück.
    »Manchmal kann ich es nicht mehr aushalten«, stöhnte Marianne Reisch, »es ist, als ob mein Schädel platzen wollte.«
    »Vielleicht sollte ich gehen. Es sei denn …«
    »Was wollen Sie noch wissen?«, fragte sie. »Lassen Sie es mich versuchen, vielleicht …« Sie verstummte, wartete auf seine Reaktion.
    »Der Mann …«, formulierte er vorsichtig, Wort für Wort, »Sie haben ihn nicht genauer gesehen?«
    Sie blieb still, schien seine Frage nicht gehört zu haben.
    »Irgendetwas an ihm, sein Gesicht, seine Kleidung, die Stimme, sein Geruch …«
    »Rasierwasser«, sagte sie plötzlich, »ein widerliches, ekelhaftes Rasierwasser, vermischt mit Schweiß und Zigarettenrauch. Er kam von hinten, packte mich, legte mir den Arm um den Hals. Ich habe ihn nicht gesehen, nicht eine Sekunde. Er schnürte mir die Luft ab, bevor ich kapierte, was da passierte, riss mir die Jacke weg, grabschte nach meinem Pulli. Ich versuchte zu schreien, um Hilfe zu rufen, so laut ich konnte, aber da stach er mir mit einem Messer oder einer spitzen Klinge ins Gesicht, in die Wangen, die Nase, den Hals, und alles tat so wahnsinnig weh, und dann drosch er mit einem Knüppel oder einem Stein wie verrückt auf mich ein …« Ihre Stimme erstarb, von hemmungslosem Weinen gefolgt.
    Braig nahm seine Hand, legte sie auf ihren Arm, spürte, wie es den gesamten Körper der Frau schüttelte. Er musste die Bestie fangen, bevor der Kerl erneut zuschlagen, ein neues Opfer suchen konnte. Fragte sich nur, wie.

8.
    Die Wohnung in der Neuffener Straße in Nürtingen zu finden, hatte keinen großen Aufwand erfordert. Es handelte sich um ein etwas schmuddeliges altes Haus am Rand des Zentrums, unmittelbar an einer der meistfrequentierten Verkehrsachsen der Stadt gelegen. Neundorf hatte es angesichts des krassen Kontrasts zu der Villa in Reutlingen zuerst nicht glauben wollen, dass der Freund Andreas Sattlers hier in dieser unappetitlichen Umgebung hausen sollte, hatte sich vom Namensschild an der Haustür dann überzeugen lassen. Sie war ohne telefonische Voranmeldung losgefahren, in der Absicht, Lukas Feiner

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