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Schwaben-Herbst

Schwaben-Herbst

Titel: Schwaben-Herbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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persönlich mit den Vorwürfen Julia Gerbers zu konfrontieren.
    Ein vergebliches Unterfangen, wie sich bald zeigte. Sie hatte am Eingang unten mehrfach geläutet, war erst ins Innere gelangt, als ein kleiner, dem Anschein nach türkischer Junge, einen Ball in der Hand, ins Freie gestürmt war, die fremde Frau überhaupt nicht beachtend. Der strenge Geruch war ihr sofort aufgefallen, noch bevor sie die erste Stufe des Treppenhauses betreten hatte. Irgendein fauliger, modriger Gestank aus einer der dunklen Ecken des Kellers. Sie hatte es sich erspart, darüber nachzudenken, was da wohl vor sich hin moderte, war mit großen Schritten ins erste Stockwerk hoch geeilt, hatte an der Tür, die dem Schild nach zu Feiners Wohnung führte, zuerst geläutet, dann kräftig geklopft.
    Eine alte Nachbarin war unverhofft hinter ihr aufgetaucht, zwei prall gefüllte Taschen in der Hand. »Sie kennet an die Tür bollere so viel se wellet, des bringt nix.«
    »Herr Feiner ist nicht zuhause?«
    »Noi. Der isch fort. Heut mitte in der Nacht. Der hats vielleicht eilig ghett, kann i Ihne sage!«
    »Eilig? Woher wollen Sie das wissen?«
    »Woher i des woiß? Weil der die Treppe hochgstürmt isch, dass i bald ausem Bett gfloge bin! Und no hat der in seiner Wohnung rumgwerkelt, dass i denkt han, uf dr Alb isch wieder a Erdbebe und aschließend isch er wieder die Treppe nontergsaut wie en Verrückter.«
    »Um wie viel Uhr war das?«
    »Ha, gege Mitternacht so etwa. I ka schlecht schlofe, deswege han i des genau mitkriegt.«
    Neundorf war sich sofort darüber im Klaren, welche Brisanz dieser Aussage innewohnte. Hatte die Frau hier mit ihren Beobachtungen Recht, war Feiner nicht lange nach dem Mord an Andreas Sattler in großer Hektik in seine Wohnung gestürmt, hatte das Nötigste zusammengesucht und war dann wieder überstürzt aufgebrochen. Weshalb die Eile? War die Antwort nicht längst klar?
    Der Tatort in Reutlingen lag gerade einmal 20 Kilometer entfernt, eine Affäre von weniger als einer halben Stunde. Welcher andere Grund konnte dahinter stecken, als dass er sich der Verfolgung durch die Polizei entziehen wollte? Natürlich waren die Beschreibungen der Nachbarin äußerst vage und großenteils von Vermutungen geprägt. Aber konnte sie die Aussagen der alten Frau deshalb ohne große Überlegungen zur Seite schieben und als bloße Spekulation abtun?
    Nein, so einfach durfte sie es sich nicht machen, das wusste sie aus Erfahrung. Ältere, alleinstehende Menschen fanden aus der Not ihrer vereinsamten Situation heraus in der Beobachtung ihrer Nachbarn oft zu einem neuen Lebensmittelpunkt, einer Aufgabe, der sie mit solcher Intensität und Ausdauer nachgingen, dass es bald der Qualität einer polizeilichen Rund-um-die-Uhr-Bewachung nahekam. Inwieweit dabei Realität und Fiktion, das heißt wirkliches Geschehen mit nur vermeintlich wahrgenommenen Sachverhalten vermischt wurden, ließ sich pauschal nicht sagen. Natürlich bestand diese Gefahr, vor allem, wenn es sich nicht um optisch, sondern nur akustisch erfahrene Botschaften handelte wie im vorliegenden Fall. Neundorf war sich dennoch darüber im Klaren, dass sie das Verhalten Feiners überprüfen und seinen gegenwärtigen Aufenthaltsort identifizieren musste. Zu viel von dem, was sie von verschiedenen Seiten bisher über ihn gehört hatte, rückte ihn in ein höchst verdächtiges Licht.
    Sie hatte versucht, der Frau weitere Informationen über ihren Nachbarn zu entlocken, war auf eine Wohnung eine Etage höher verwiesen worden.
    »Der Duschle. Fraget se den. Vielleicht woiß der was. Die hocket manchmal zamme und saufet.«
    Sie hatte den Rat befolgt, den Mann, einen etwas verlebt wirkenden kräftigen Typ Mitte Dreißig aus dem Bett geläutet. Um 12.30 Uhr am Mittag, wie sie sich durch einen Blick auf ihre Uhr überzeugte. »Ich suche Herrn Feiner. Wie ich hörte, sollen Sie Bescheid wissen, wo er sich aufhält.«
    Duschle brauchte eine Weile, zu verstehen. Der immer noch zu kurze Schlaf und die durchzechte Nacht standen ihm ins Gesicht geschrieben. »Der Luke?«
    Er bemerkte ihr zustimmendes Nicken, erklärte dann, dass Feiner zu einem Turnier irgendwohin ins Ausland aufgebrochen war.
    »Ein Turnier? Was für ein Turnier soll das sein?«
    »Ein Schachturnier natürlich. Der hockt fast jedes Wochenende bei einem Turnier. Ob er spielt oder nicht.«
    »Und wieso im Ausland? Wie kommen Sie auf die Idee?«
    »Weil er es mir heute Nacht erzählte. Er fährt nach … Ich weiß nicht mehr, in

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