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Schwaben-Herbst

Schwaben-Herbst

Titel: Schwaben-Herbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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gesamten Körperhaltung zu lesen.
    »Wo sind wir hier?«, maulte ein bleicher, mit einer hellen Sommerjacke bekleideter Mann, der unmittelbar neben ihm vor der Fahrstuhltür Aufstellung genommen hatte, »in Istanbul oder Afghanistan?«
    Der Kommissar ersparte sich eine Antwort, eilte stattdessen zur Treppe, lief nach oben. Er spürte, wie er ins Schwitzen kam, war dennoch froh, sich unerwünschte Gesellschaft erspart zu haben.
    Das Treppenhaus schien verwaist. Er nahm Stufe um Stufe, versuchte, sich auf seinen Besuch bei der heute Nacht überfallenen Frau zu konzentrieren. Dass Stefanie Riedinger das Gespräch nicht hatte übernehmen können, war bedauerlich, aber nicht zu umgehen. Zwar waren sie darum bemüht, weibliche Gewaltopfer vorrangig von Beamtinnen betreuen zu lassen, doch erschwerte die angespannte Personalsituation des Amtes dieses Vorhaben. So gerne er es gesehen hätte, Riedinger an seiner Seite zu wissen, die junge Kollegin war drei Tage vorher zu einer Spezialeinheit versetzt worden, die sich um die Sicherheit der beiden Atomkraftwerke in Neckarwestheim kümmern sollte. Diese vorübergehende Abordnung war auf Anweisung des Innenministeriums erfolgt, fürchtete man dort doch die angekündigten Demonstrationen besorgter Bürger gegen die weitere Einlagerung der in den beiden Atommeilern entsorgten hochradioaktiven Brennstäbe im Umfeld der Reaktoren. Was ist das nur für eine erbärmliche Alte-Männer-Riege, hatte Braig überlegt, die ein Massenaufgebot an Polizei benötigt, um sich vor den Protesten der eigenen, um ihre Gesundheit besorgten Bevölkerung zu schützen.
    Er erreichte das dritte Stockwerk, lief den Rest der Stufen hoch. Jetzt musste er sich eben selbst bemühen, der heute Nacht überfallenen Frau so gegenüberzutreten, dass sie Vertrauen zu ihm entwickeln und möglichst viel von dem, was sie vor und während des schlimmen Geschehens mitbekommen hatte, vor ihm in Worte fassen würde. Er hoffte, dass sie sich wenigstens an einige Charakteristika des Täters erinnerte, war es ihm in den vergangenen Stunden doch nicht gelungen, über das von Konrad Umgelter Geäußerte hinaus weitere Hinweise zu erhalten. Zwar hatte er den ganzen Samstag Vormittag in Ossweil verbracht und alle Anwohner des Tatorts wie auch des Fluchtwegs des Täters befragt, von ihnen jedoch keinerlei Informationen, das Verbrechen betreffend, bekommen.
    Ja, wenn wir das gewusst hätten, Herr Kommissar, dass sich jetzt auch bei uns in Ossweil …
    Er zählte nicht, wie oft er sich diesen oder ähnlich geartete Sätze hatte anhören müssen. Die halbe Welt jammert über Schlaflosigkeit und durchwachte Nächte, überlegte er, wenn es dann aber wirklich darauf ankommt … Niemand, überhaupt niemand hatte etwas gehört oder gesehen. Wie sollte es unter diesen Umständen gelingen, den Verbrecher zu ermitteln?
    Braig näherte sich dem gesuchten Stockwerk, zog das Blatt aus seiner Tasche, auf dem er alle bisher ermittelten Daten zum Überfall-Opfer notiert hatte, überflog sie nochmals. Marianne Reisch, 1969 geboren, zwei Kinder, geschieden, wohnhaft in Ossweil, seit über einem Jahr gemeinsam mit einer Bekannten als Zeitungsausträgerin tätig. Bisher ohne jede Belästigung, so die Auskunft ihrer Mitausträgerin Sabine Hegner, die er selbst aufgesucht und befragt hatte.
    Wir teilen uns den Ort, hatte die Kollegin erklärt, Marianne kümmert sich um den nördlichen, ich um den südlichen Bezirk. Dass wir jetzt selbst hier bei uns schon nicht mehr sicher sind, hätte ich nie gedacht.
    Gab es Hinweise auf den Überfall, hatte er gefragt.
    Hinweise, was für Hinweise denn? Glauben Sie denn allen Ernstes, wir tragen Zeitungen aus, wenn wir damit rechnen müssen, von irgendwelchen perversen Schweinen überfallen zu werden? Das war doch ein krankes perverses Schwein, wer sonst sollte denn so etwas tun, eine wehrlose alleinerziehende Frau ohne Reichtümer am frühen Morgen zu überfallen, oder? Und was passiert mit dem Kerl, vorausgesetzt, er wird überhaupt erwischt?
    Wir werden alles dafür tun, hatte er erwidert. Aber um das zu erreichen, sind wir auf die Hilfe möglichst vieler Mitbürger angewiesen.
    Ich kann nichts helfen, war die Frau immer aggressiver geworden, was habe ich denn mit dem Dreckskerl zu schaffen?
    Frau Reisch wurde nicht schon in den vergangenen Tagen oder Wochen einmal bedroht? Hätte sie es Ihnen überhaupt mitgeteilt, falls ihr das passiert wäre?
    Natürlich hätte sie mir das gesagt, war sich Sabine Hegner sicher,

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