Schwaben-Herbst
die Ecke, Ecke gelaufen und Andreas, Andreas liegt vor mir.«
Sie hatten den Mann zweieinhalb Stunden vernommen, seine Behauptung, er habe Andreas Sattler tot vor dem Haus aufgefunden, wieder und wieder zurückgewiesen und als billige Ausrede gebrandmarkt, ihn trotz unaufhörlicher Beschwörungen, endlich die Wahrheit zu sagen, nicht einen Millimeter von seiner Aussage abgebracht.
»Sie sind voller Wut nach Reutlingen gefahren, wollten bei Sattler das Geld für ihren verunglückten Wagen eintreiben. Der weigerte sich aber und stellte sich taub. Wahrscheinlich verhöhnte er sie sogar noch. Sie gerieten jedenfalls völlig außer sich, zogen die Pistole und töteten ihn. Und dann flohen Sie voller Panik und versteckten sich irgendwo im Ausland.«
»Ich, ich bin nicht geflohen. Wir, wir spielen Schach, Andreas und ich. Wir, wir wollten zu einem Turnier nach Luxemburg. Von, von Samstag bis Dienstag. Vier Tage, wegen dem 3. Oktober. Aber, aber dann bekamen wir Streit und Andreas, Andreas wollte nicht mehr mit. Ich, ich sollte ihn in Frankfurt abholen zu dem Turnier, das hatten wir so ausgemacht. Aber dann rief, rief er mich an, dass er nach Reutlingen gefahren sei und nicht mitkomme. Deshalb, deshalb bin ich so spät noch nach Reutlingen. Ich wollte ihn überreden, mitzufahren. Und dann liegt er plötzlich tot vor mir.«
»Weil Sie ihn erschossen haben.«
»Ich, ich kann nicht schießen, das, das habe ich vorhin schon gesagt. Andreas und ich sind Freunde. Wir, wir spielen Schach.«
»Aber Sie hatten großen Streit. Ihr angeblicher Freund baute einen Unfall mit Ihrem Wagen und war nicht bereit, dafür aufzukommen. Deshalb haben Sie ihn bedroht. Wir haben Zeugen dafür.«
Feiner hatte nur den Kopf geschüttelt, war ohne jede Überlegung auf Neundorfs Behauptung eingegangen. »Streit, Streit ist nicht das richtige Wort. Ich war sauer, letzte Woche, ja, weil Andreas so spät aus Frankfurt gekommen ist. Freitagabend ist er da, hat er mir versprochen, aber dann wurde es Samstagmorgen. Und ich wartete die ganze Zeit, weil wir bei dem Turnier in Baden-Baden angemeldet waren. Wir sind gefahren wie die Verrückten, am Schluss sogar noch eine Abkürzung, aber die war falsch. Um wieder auf die richtige Straße zu kommen, nahmen wir einen Feldweg. Das war idiotisch, aber wir waren so dumm. Dabei blieben wir liegen. Irgendein Schlagloch am Rand. Wir waren angemeldet und sind zu spät gekommen, deshalb bin ich in der Punktewertung zurückgefallen. Deswegen, deswegen war ich sauer. Das ärgert mich sehr. Schach bedeutet mir viel, sehr viel.«
»So viel jedenfalls, dass es ausreichte, Sie so in Wut und Rage zu versetzen, dass Sie nach Reutlingen fuhren und Ihren Freund töteten. Genau davon sprechen wir die ganze Zeit.«
Sie hatten die Vernehmung kurz vor 16 Uhr beendet, den Mann dann gemeinsam mit vier etwa gleichaltrigen Beamten des LKA Iris Baumhauer hinter einer breiten Glasscheibe präsentiert, die ihn ohne jedes Zögern innerhalb weniger Sekunden identifiziert hatte. Doch so erfolgreich die Arbeit dieses Tages vordergründig auch schien, entscheidend weitergebracht hatten sie die Ermittlungen nicht: Lukas Feiner war nicht bereit, über seine Aussagen hinauszugehen. Er hatte seinem Freund in jener Nacht einen kurzen Besuch abstatten wollen, um ihn doch noch zur Teilnahme an dem Turnier in Luxemburg zu bewegen, hatte ihn aber tot vor seinem hell erleuchteten Hauseingang gefunden. Wie er danach nach Nürtingen in seine Wohnung gekommen war, lag außerhalb seines Erinnerungsvermögens; er war voller Panik von Sattlers Leiche geflohen und in derselben Nacht noch nach Luxemburg gefahren, um sich dort wie vorgesehen an dem Turnier zu beteiligen. Mit wenig Erfolg, wie er zugeben musste.
»Oder, oder glauben Sie, Andreas, Andreas wäre mir aus dem Kopf gegangen, so wie er da vor seiner Haustür auf dem Boden lag? Bei, bei jedem Zug musste ich zuerst an ihn denken, deshalb habe ich acht, acht von elf Partien verloren. So schlecht war ich noch nie.«
Weil er seinen Freund getötet hatte?
Neundorf war sich nicht sicher, inwieweit sie seinen Aussagen Glauben schenken sollte. So wenig überzeugend seine Behauptung auch klang, Andreas Sattler habe bereits tot vor dem Haus gelegen, als er kurz vor Mitternacht dort aufgetaucht war, eine Replik des Mannes hatte sie laut aufhorchen lassen und war ihr auch jetzt, nach dem Ende des Verhörs, noch deutlich präsent.
»Wer soll es denn gewesen sein, wenn Sie es angeblich nicht waren?«, hatte
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