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Schwaben-Herbst

Schwaben-Herbst

Titel: Schwaben-Herbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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Gelegenheit ergeben? Zufall, wirklich nur Zufall? Stand er die ganze Zeit schon unter Beobachtung, hatte bisher aber noch nicht die Situation geboten, während der es problemlos möglich war, ihn zu erledigen?
    Er zitterte am ganzen Leib, hatte Mühe, seine Gedanken in Zaum zu halten. Was gab ihm die Gewissheit, dass es nicht bald schon so weit war, dass er sich täuschte, die Angst ihn völlig unbegründet in Panik geraten ließ? Stand der Killer vielleicht bereits vor seiner Tür, die Säure und die Pistole, die Mordwerkzeuge in den Händen?
    Er spürte sein Herz rasen, den Angstschweiß aus den Achseln perlen. Nein, die Gewissheit, dass es nicht mehr weit auch zu seinem Finale war, die konnte ihm niemand geben, nicht ein einziger Mensch. Vielleicht …!
    Er stampfte mit dem Fuß auf den Boden, versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen. Vielleicht, vielleicht, vielleicht! Das half jetzt nicht weiter, nicht einen Schritt. Er musste sich zusammenreißen, um nicht die Übersicht zu verlieren, das war die einzige Chance, der Bestie nicht ebenfalls zum Opfer zu fallen. Klaren Kopf bewahren, genau überlegen, was von jetzt an zu tun war, wie er sich auf die Attacke vorbereiten oder ihr aus dem Weg gehen, sie vermeiden, vielleicht sogar den Spieß umdrehen und den Killer jagen, ihn angreifen könne, das war die Aufgabe der Stunde. Er allein wusste, um wen es sich handelte, er allein kannte die Identität des Mörders. Oder hatte ihn die Polizei bereits erwischt?
    Er atmete tief durch, spürte, wie seine Erregung langsam nachließ, nahm sich den Bericht der Zeitung noch einmal vor. In der Nacht von Freitag auf Samstag war Sattler ermordet worden, vor fast einer Woche also. Vielleicht hatten sie die Bestie längst gefasst? Das war der Nachteil, wenn man keine Zeitungen las, die Nachrichten nicht verfolgte, dem aktuellen Geschehen keinen Wert beimaß.
    Er lief zum Telefon, erfragte bei der Auskunft die Nummer der Stuttgarter Zeitung, erkundigte sich dort nach dem Stand der polizeilichen Ermittlungen.
    »Weshalb interessiert Sie das?«, fragte der Redakteur.
    »Mein Sohn soll einen Aufsatz schreiben über ein aktuelles Geschehen. Da kamen wir auf die Idee.«
    Der Mann am anderen Ende gab sich zufrieden, erklärte, dass seines Wissens zwar nach einem Tatverdächtigen gefahndet werde, der Fall aber noch nicht abschließend geklärt sei.
    »Und wie heißt dieser Tatverdächtige?«, fragte er mit unverhohlener Neugierde.
    »Feiner«, antwortete der Journalist, »Lukas Feiner.«
    Er konnte sich nicht mehr halten, fing lauthals an zu lachen, reagierte auf die erstaunte Frage des Mannes am Telefon, indem er den Hörer auf die Gabel warf. Feiner, tobte es in ihm, ausgerechnet Feiner. Die begriffen wohl überhaupt nichts. Konnte man wirklich so dämlich sein, zu glauben, dieses harmlose Jungmännchen sei fähig, einem anderen Gewalt anzutun? Halleluja, welche Stümper versahen denn da den Dienst bei der Polizei, bar jeder Menschenkenntnis, ein weitgehend aggressionsfreies Wesen wie Feiner eines Mordes zu bezichtigen? Boten die wirklich ihre gesamte Maschinerie auf, nach diesem Hasenfuß zu fahnden?
    Er hatte Mühe, sich zu beruhigen, lachte in einem fort, befreite sich Minute um Minute mehr und mehr von dem ganzen Berg an Angst und Sorgen, die auf ihm lasteten. Nein, Feiner hatte mit der Sache nichts zu tun, das war absolut sicher. Der war vollkommen harmlos im Vergleich zu der Bestie, die wirklich dahinter steckte.
    Die wichtigste Frage, die jetzt zu beantworten war, lautete deshalb: Was konnte er tun, dem Angriff auszuweichen? Sich in Acht nehmen, sich vorsichtig bewegen, jeden seiner Schritte genau überlegen, in jeder Sekunde auf die Attacke gefasst sein?
    Er brauchte nicht lange nachdenken, um zu begreifen, wie das enden würde: Entweder wie Sattler oder in einer geschlossenen Anstalt der Psychiatrie. Tag und Nacht damit rechnen zu müssen, überfallen, mit Säure attackiert, von Pistolenkugeln zersiebt zu werden – wie sollte er diese Ungewissheit überstehen, die unaufhörliche Bedrohung aushalten? Kein Mensch konnte eine solche Situation bewältigen, kein lebendes Wesen diese psychische Anspannung ohne bleibenden Schaden ertragen. Nein, das war keine Lösung, nicht im Entferntesten der Weg, der ihn vor der Bestie in Sicherheit bringen würde. Wenn er sein Leben retten, dem Schicksal Sattlers entgehen wollte, gab es nur eine Chance: Er musste abtauchen, aus seiner gewohnten Umgebung verschwinden, alles aufgeben, was ihm

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