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Schwaben-Herbst

Schwaben-Herbst

Titel: Schwaben-Herbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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war er nach eigenen Angaben erst von der Schlagzeile der Sonntagszeitung im Flugzeug auf das unglaubliche Verbrechen an dieser hochverdienten Persönlichkeit unseres Landes aufmerksam geworden.
    Neundorf hatte seinen Anruf weitgehend unbeeindruckt entgegengenommen, war sie angesichts der beruflichen Funktion Grauselmaiers doch längst auf diese Entwicklung gefasst gewesen. Worüber sie sich gewundert hatte, war nur die lange Zeitspanne, die vergangen war, bis der nach eigenen Worten brutalstmögliche Aufklärer die Ermittlungen an sich gezogen hatte. Arme Thekla Kliss, war es ihr durch den Kopf gegangen, ohne nervenaufreibende Standpauke wird das nicht abgelaufen sein.
    »Nein, wir haben keine Spur«, hatte sie Koch auf seine im vorwurfsvollen Ton vorgetragene telefonische Sonntag-Abend-Predigt erklärt, »nicht einmal den Ansatz dazu.«
    »Das wundert mich überhaupt nicht«, war er ihr ins Wort gefallen, ohne noch deutlicher auszusprechen, welche Wertschätzung er ihrer Person entgegenbrachte.
    Dass sie gemeinsam mit Silvia Bäuerle bereits einen ganzen Berg von Akten, Zeitungsartikeln und anderen Schriftstücken aussortiert hatte, alle ernsthafte Konflikte des ermordeten Politikers mit Leidtragenden seiner Entscheidungen betreffend, vermochte den Oberstaatsanwalt nicht zu beeindrucken.
    »Wie wir die Untersuchung handhaben, wird sich zeigen. Auf jeden Fall werde ich noch heute Abend eine Sonderkommission zusammenstellen lassen. Alle fähigen Köpfe« ,er betonte die beiden Worte in derart süffisanter Art und Weise, dass nicht zu überhören war, dass sie auf keinen Fall zu dieser Kategorie von Ermittlern zählte, »die die Drahtzieher dieses mörderischen Komplotts zu entlarven imstande sind.«
    Seit dem frühen Montagmorgen waren sie dabei, den Aktenberg durchzuarbeiten. Im Wesentlichen bedeutete das, die Spreu vom Weizen zu trennen, kleinere Konflikte von den gravierenderen, wirklich ernsthaften Auseinandersetzungen abzusondern.
    Neundorf hatte ihren Augen nicht getraut, als ihr das Ausmaß des zu überprüfenden Materials deutlich geworden war. Nicht nur die Racheschwüre und Drohschreiben einzelner von den politischen Entscheidungen Grauselmaiers betroffener Bürger türmten sich zu einem fast unüberschaubaren Berg, auch die Partei-internen Streitigkeiten überstiegen vom Inhalt und ihrer Vielzahl her jede Vorstellungsmöglichkeit. Die Kommissarin hatte mit etlichen sachlichen Auseinandersetzungen gerechnet, die wohl bei jedem demokratischen Entscheidungsprozess zwangsläufig waren, nicht aber mit diesem Ausmaß an Hass und Aggressionen unter den Mitgliedern einer Partei. Was sie jetzt vor sich sah, war – soweit sie das in der kurzen Zeit überblickte – ein einziges großes Sammelsurium an Intrigen, Unterstellungen und gegenseitigen Bespitzelungen, fast alle von zermürbenden Kämpfen um den Aufstieg in der Partei getragen. Musste man sich angesichts dieses innerparteilichen Ethos wirklich über die Vielzahl absurder politischer Entscheidungen wundern? Verständlich, dass Koch strengste Verschwiegenheit und absolutes Kontaktverbot mit Journalisten jeder Couleur angeordnet hatte.
    Beck, Felsentretter, Herb, Ohmstedt, alle verfügbaren Kommissare des LKA sowie etlicher Kriminaldirektionen waren eingespannt, jeder auf mehrere gravierende Vorfälle angesetzt. Wollten sie alle dokumentierten Ereignisse detailliert überprüfen, war selbst eine hundertköpfige Sonderkommission über Wochen hinweg beschäftigt. Der Oberstaatsanwalt hatte es Silvia Bäuerle überlassen, zu entscheiden, welche Vorgänge vorrangig behandelt werden sollten.
    Was bis jetzt feststand, war allein die Tatsache, dass der Politiker mit derselben Waffe und derselben ausgeprägt sadistischen Methode gefoltert und ermordet worden war wie Andreas Sattler. Wo immer ein Berührungspunkt der beiden Männer zu finden war, musste besondere Aufmerksamkeit aufgewandt werden. Der oder die Täter hatten Grauselmaier nach seinem Vortrag in Köngen aufgelauert, in Anbetracht bisher immer noch fehlender Zeugenaussagen wahrscheinlich erst in dem Moment, als der Politiker sich von allen verabschiedet hatte und zu seinem Wagen gegangen war. Dort war das Verbrechen geschehen, der Täter danach mit dem Auto Grauselmaiers geflohen. Die schwarze S-Klasse-Limousine war etwa drei Kilometer vom Ort des Mordes entfernt am Bahnhof von Wendlingen entdeckt worden, unverschlossen, die Schlüssel wenige Meter weiter ins Gebüsch geworfen. Hatte der Täter hier sein

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