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Schwaben-Herbst

Schwaben-Herbst

Titel: Schwaben-Herbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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eigenes Fahrzeug geparkt gehabt oder war er in den Zug gewechselt?
    Neundorf hatte die Schaffner aller von der Zeit her in Betracht kommenden Züge befragen lassen, die Medien zudem gebeten, sich an die Fahrgäste zu wenden, ob sich jemand an eine oder mehrere in Wendlingen am Mordabend kurz nach 23 Uhr zusteigende Personen erinnerte. Der Aussage Tanja Gieberts und ihrer Kollegin nach waren die beiden Bibliothekarinnen kurz vor dem Verlassen der Zehntscheuer wenige Minuten vor Elf durch einen lauten Knall und die unmittelbar danach quietschenden Reifen eines abrupt startenden Autos überrascht worden. Den Regionalexpress 22058, der Wendlingen den Unterlagen der Bahn zufolge an diesem Abend auf die Minute pünktlich um 23.12 Uhr verlassen hatte, konnten der oder die Täter gut erreicht haben. Weil der aus Tübingen kommende Zug nach Aussagen der Zugbegleiterin, wie an einem Freitagabend üblich, sehr stark besetzt gewesen war – vor allem von jungen Leuten, die nach Esslingen und Stuttgart fuhren, um dort die Nacht durchzufeiern – konnte sich die Frau nicht mehr an die in Wendlingen zugestiegenen Fahrgäste erinnern. »Isch weeß nur noch, dass dar Bohnschdeisch gonz voll wor«, hatte sie Neundorf auf deren persönliche Nachfrage in reinem Sächsisch zu Protokoll gegeben.
    Auch in der wenige Minuten später verkehrenden Regionalbahn nach Plochingen hatte sich bisher niemand an in Wendlingen zugestiegene Reisende erinnert. Dieser Zug verfügte neben dem Lokführer über keinen weiteren Bediensteten, was die Nachfrage zusätzlich erschwerte. Nur mit viel Glück, dessen war sich Neundorf bewusst, hatte irgendjemand in dieser Nacht ein auffälliges Verhalten des Täters beobachtet – ein reines Zufallsereignis, das ihren Ermittlungen ab und an weiterhalf, oft genug aber vergeblich auf sich warten ließ.
    Genauso wenig Erfolg hatte bisher die Fahndung nach Falk Holdenried gebracht. Der Mann blieb verschwunden, war auch heute am Montag nicht an seinem Arbeitsplatz aufgetaucht, wie sich Heilbronner Kollegen bei einem unangemeldeten Besuch der Autoreparaturwerkstatt persönlich überzeugt hatten. Seinem Partner Gaiser war nach wie vor keine Erklärung für das völlig untypische, absonderliche Verhalten Holdenrieds eingefallen. So sehr sich dadurch der Verdacht gegen den Mann verdichtet hatte, ihnen blieb vorerst keine andere Wahl, als weiter nach ihm zu fahnden und sich derweil auf das mühsame Durchforsten der Unterlagen Martin Grauselmaiers zu konzentrieren, die Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen, wie Neundorf am späten Montag Nachmittag Silvia Bäuerle gegenüber klagte.
    Die junge Frau hatte ihr einen dicken Aktenordner, angefüllt mit den verschiedenartigsten Schreiben, in die Hand gedrückt: Teilweise wirres, kaum verständliches, ja absurd-unlogisches Gelaber, dann aber wieder erschreckend deutliche, präzis formulierte Worte. Gemeinsames Merkmal aller Texte: Drohungen und Beschuldigungen, alle gegen Martin Grauselmaier gerichtet. »Hier, die sollten Sie sich unbedingt vornehmen.«
    Neundorf überflog das zuletzt gelesene Schreiben, die Vergewaltigung des jungen Mädchens betreffend, ein zweites Mal, fand keinen Hinweis auf den Verfasser. Kein Name, keine Adresse, nichts. Nur der Datumsstempel der Empfänger. Eingegangen am 18.4.07. Vor nicht einmal sechs Monaten, überlegte sie, im April dieses Jahres.
    Beließ es jemand, der zu solch drastischen Formulierungen griff, bei der Drohung? Oder musste man ernst nehmen, was hier angekündigt wurde? Als Vorhersage dessen, was ein zutiefst getroffener Mensch in die Tat umzusetzen gedachte?
    Sie griff zum Telefon, versuchte Silivia Bäuerle zu erreichen, hatte die Frau nach kurzem Warten am Apparat. »Ich habe hier ein Schreiben vom 18. April dieses Jahres.« Sie zitierte einige Auszüge, fragte, ob sie sich daran erinnere.
    »Martin hat, wie Sie selbst sehen, unzählige solcher wirren Drohungen bekommen, deshalb fällt es mir schwer … Aber doch, ja, jetzt erinnere ich mich wieder daran.«
    »Sie haben es damals meinen Kollegen übergeben?«
    »Der Polizei? Nein, Martin war dagegen. Er hatte Bedenken, die Öffentlichkeit könnte Kenntnis davon erhalten.«
    »Das war alles? Er hatte keine Angst, der Mann könne seine Drohung wahr machen?«
    Silvia Bäuerle zögerte mit ihrer Antwort. »Er nahm es wie üblich nicht allzu ernst, nein. Es kamen ja so viele Drohungen. Ein lächerliches Pamphlet, pflegte er zu sagen, irgendein dämlicher Störenfried, der uns da ans Bein

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