Schwaben-Liebe
Grabkapelle der württembergischen Königin Katharina inmitten der herbstlich gefärbten Weinberge des Stuttgarter Vororts Rotenberg, ein Stück weiter das filigrane Bauwerk von Schloss Lichtenstein über dem Steilabfall der Alb, dazu Schloss Monrepos bei Ludwigsburg, Kloster Lorch über dem Remstal, die Comburg bei Schwäbisch Hall, Schloss Hellenstein in Heidenheim an der Brenz, Burg Teck auf ihrem Bergsporn ins Vorland ragend, das Tübinger Schloss über dem Neckar, die Achalm bei Reutlingen, Burg Hohenzollern hoch über Hechingen. Ähnliche Motive wie die, die er in Hesslers Wohnung entdeckt hatte. Alles in allem ein Potpourri der schönsten Plätze des Landes.
»Da fehlt ja kaum eine Sehenswürdigkeit. Die Fotos stammen von Herrn Hessler?«
Raphaela Groll setzte sich ihm gegenüber, nickte. »Er hat alles selbst aufgenommen, um Copyright-Probleme bei unseren Internet-Präsentationen zu vermeiden. Der erste Kontakt potentieller Klienten läuft meistens über das Netz.«
Braig löste seinen Blick von den Fotos an der Wand, erkundigte sich nach der Ursache für Hesslers Aufenthalt vor den Limes-Thermen am vorherigen Abend. »Ich nehme an, er war privat dort, oder? Wissen Sie darüber Bescheid? Seltsamerweise hatte er keine Badesachen dabei. Wir haben jedenfalls nichts gefunden.«
»Er war nicht zum Baden dort. Er wollte die Limes-Thermen als neuen Meeting-Point aufnehmen und das Bad nach Einbruch der Dunkelheit filmen. Das macht sich sehr gut. Die gelb-grün erstrahlenden Hallen vor dem dunklen Hintergrund. Wir hatten Bilder davon gesehen, so kamen wir auf die Idee. Und für Menschen, die gerne schwimmen oder sich in diesem Umfeld erholen, wäre das ein netter Treffpunkt und eine gute Ergänzung zu unserem übrigen Programm.«
»Wissen Sie, welche Kamera er dazu benutzt?«
»Oh je, das kann ich Ihnen nicht sagen. Herr Hessler besitzt mehrere Kameras, sowohl zum Fotografieren als auch zum Filmen. Das ist sein großes Hobby. Er war früher als Dokumentarfilmer tätig.«
»Bevor er die Agentur eröffnete?«
»Ja. Ab und an auch in den letzten Jahren noch. Wenn er einen Auftrag bekam.«
»Sie kannten Herrn Hessler gut?«
»Gut?« Raphaela Groll zog die Mundwinkel in die Höhe. »Was heißt schon
gut
? Er ist mein Chef«, sie verstummte, wurde sich bewusst, dass sie im Präsens statt in der Vergangenheit gesprochen hatte, schaute betroffen zu Braig.
»Privat hatten Sie keine Kontakte?«
»Sie meinen, wir sind eine Kontakt-Agentur und da müssen der Chef und seine Angestellte …« Sie schüttelte den Kopf. »Nein. So weit geht unsere Beziehung nicht. Mein Freund hätte da garantiert auch was dagegen.«
»Gibt es weitere Angestellte?«
»Nein. Die Gespräche mit unseren Klienten führt Herr Hessler selbst, darauf legt er großen Wert. Er möchte die Leute selbst kennen lernen, schon um sie richtig beraten zu können. Bezüglich potentieller Partnerinnen und Partner, wenn Sie verstehen?«
»Und die Betreuung vor Ort?«
»Da haben wir freie Mitarbeiter. Erfahrene und seriöse Leute, denen wir absolut vertrauen können. Das sind seit Jahren dieselben.«
»Wie muss ich mir einen typischen Klienten vorstellen?«, fragte Braig. »Vermögend, besser betucht?«
Raphaela Groll signalisierte mit sanftem Kopfnicken Zustimmung. »Im Allgemeinen schon, ja. Unsere Dienste sind nicht gerade billig. Das sollte die Sache aber wert sein.«
»In welcher Höhe etwa? Von … bis?« Er bemerkte ihr Zögern, versuchte, sie mit einem freundlichen Lächeln zu einer Antwort zu bewegen.
»Na ja, das kann schon ein paar Tausender kosten«, sagte sie dann. »Beim Vollservice.«
»Und die Leute waren immer bereit, das zu zahlen? Oder gab es öfter Probleme?«
»Probleme mit der Zahlungsmoral unserer Klienten?«
»Herr Hessler bat um Polizeischutz. Wenn ich richtig informiert bin, wurde er von unzufriedenen Kunden bedroht.«
Raphaela Groll legte ihre Stirn in Falten. »Unzufriedene Kunden«, wiederholte sie seine Formulierung, »so einfach lässt sich das nicht abtun.«
»Wie dann? Erklären Sie es mir doch bitte.«
Die junge Frau wandte den Blick von ihm ab, rang um Worte. »Der Kerl ist gemeingefährlich. Dass so einer frei herumläuft …«
»Von wem sprechen Sie?«
»Kautter«, platzte es aus ihr heraus, »Sie glauben nicht, wie der sich hier schon aufgeführt hat.« Sie wies zum Schreibtisch. »Der Laptop ist nagelneu. Fragt sich nur, ob wir das Geld je von dem Kerl bekommen.«
»Dieser Kautter hat hier
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