Schwaben-Liebe
randaliert?«
»Beim ersten Mal rief ich den Notarzt. Herr Hessler wollte es zwar nicht, wegen Journalisten und so, aber ich rief ihn trotzdem. Er musste im Katharinenhospital genäht werden.«
»Kautter hatte ihn angegriffen?«
»Der ist gemeingefährlich, ich sage es Ihnen doch. Er stürmte in unsere Räume, riss die Tür zu Herrn Hesslers Büro hier auf und griff ihn ohne jede Vorwarnung an. Ich konnte nicht helfen, der ist bärenstark. Der zerriss mit einem Handgriff meine Bluse und warf mich auf den Boden. Ich rappelte mich auf und rannte in mein Zimmer ans Telefon, aber bis Ihre Kollegen endlich kamen, war der längst weg.« Sie zog ein Tuch und einen kleinen Spiegel vor, fuhr sich übers Gesicht und versuchte, die Spuren ihrer Tränen zu verwischen.
»Was war der Anlass für die Wut des Mannes?«
»Bei seinem zweiten Überfall drei Wochen später warf er Herrn Hesslers Laptop an die Wand. Hier, sehen Sie neben dem Schloss Solitude die Delle?« Ohne auf Braigs Frage einzugehen, zeigte sie an die Wand mit den Fotos. »Das Gerät war natürlich sofort kaputt. Zum Glück haben wir alles mehrfach abgespeichert.«
»Weshalb war der Mann so wütend?«, beharrte der Kommissar.
Sie atmete tief durch, steckte den Spiegel und das Tuch weg. »Dieser Vollidiot buchte bei uns ein Treffen. Auf Schloss Lichtenstein.«
»Mit einer von Ihnen vermittelten Frau?«
»Ja.«
»War er nicht mit ihr zufrieden?«
Raphaela Groll lachte kurz auf. »Damit hat es nichts zu tun«, erklärte sie. »Herr Hessler gibt sich sehr viel Mühe, passende Partner zusammenzubringen.«
»Ja, was dann? War es ihm zu teuer?«
Die junge Frau schüttelte den Kopf, winkte ab. »Unsere finanziellen Konditionen sind von Anfang an klar. Ohne Anzahlung sind wir zu keiner Leistung bereit. Aus Erfahrung. Nein, damit hat es nichts zu tun.«
Braig wartete auf eine Erklärung, betrachtete seine Gesprächspartnerin mit unverhohlen neugierigem Blick.
»Kautters Rendezvous wurde beobachtet. Von einer Bekannten seiner Freundin oder Verlobten, wie er sie bezeichnet«, sagte Raphaela Groll.
»Er wurde beobachtet?«
»Na ja, Schloss Lichtenstein, Sie kennen es?«
»Allerdings«, erklärte Braig, seine Ermittlungen in einem Mordfall vor wenigen Jahren im Kopf, als ein skrupelloser Manager einen jungen Mann von einer der Aussichtsterrassen des Schlosshofs in die Tiefe gestürzt hatte.
»Also. Dann wissen Sie ja, wie viele Besucher das Schloss hat.«
Unzählige, war Braig aus vielen privaten Besuchen des einzigartig anmutigen Bauwerks bewusst. In den Monaten der warmen Jahreszeit drängten sich die Touristen in und um das filigrane Schlösschen. »Verstehe ich das richtig: Dieser Kautter hat eine Freundin, taucht aber trotzdem bei Ihnen auf und sucht nach einer Partnerin?«
»Das verstehen Sie richtig, ja.«
»Und dann verbringt er einen Tag mit der von Ihnen vermittelten Frau und wird dabei von einer Bekannten seiner Freundin beobachtet?«
»Ganz genau.«
»Was zum Streit mit seiner Freundin führt.«
»Das nehme ich an, ja.«
»Aber wieso gibt er dann Ihrer Agentur beziehungsweise Herrn Hessler die Schuld?«
Die junge Frau ließ ein verkrampftes Lachen hören. »Das ist es doch! Was hat seine eigene Dummheit mit unserer Agentur zu tun?«
»Seine Aggressionen resultieren wirklich nur aus dieser zufälligen Beobachtung? Oder hat Herr Hessler die Freundin des Mannes zufällig gekannt und sie über dessen Kontakt-Interesse informiert? Es muss doch einen Grund geben …«
»Herr Hessler?« Raphaela Groll sprang von ihrem Sessel hoch, fiel Braig mitten ins Wort. »Aber wir wussten doch überhaupt nicht, dass dieser Kautter in einer festen Beziehung lebt. Wir überprüfen doch nicht das Privatleben unserer Klienten!«
Der Kommissar atmete tief durch, bat sein Gegenüber, ihm die genaue Anschrift des Mannes zu notieren. Er hatte Schwierigkeiten, die aufgeführten Beweggründe als Auslöser für Kautters Wut zu akzeptieren, wollte den Mann selbst sprechen. Wahrscheinlich gab es andere, weit gewichtigere Ursachen für dessen Aggressionen. Aus seinem Mund hörte sich der Sachverhalt sicher völlig anders an.
Er wartete, bis die Frau die Anschrift gefunden hatte, informierte sie darüber, dass er Einblick in die gesamte Kundenliste der Agentur benötigte.
»Aber das sind, wie soll ich sagen, das sind intime Daten«, versuchte sie dagegenzuhalten.
»Herr Hessler wurde ermordet«, erwiderte er. » Und solange wir nicht ausschließen können, dass sein Tod
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