Schwaben-Liebe
Ziele im Ländle vor, die mit solch außergewöhnlichen landschaftlichen oder architektonischen Reizen aufwarteten, dass sie ein ideales Ambiente für ein erstes Kennenlernen abgaben. Im Anschluss daran präsentierte er mit sonorer Stimme auserlesene Cafés und Restaurants, die dem Rendezvous noch mehr Glücksmomente zu verleihen versprachen.
»Alle Achtung«, hatte Ann-Katrin schnippisch geäußert, »ein Nachmittag auf Schloss Lichtenstein und anschließend in dieses Lokal – ich glaube, ich würde der letzten Dumpfbacke verfallen, wenn er sich nicht gar zu dämlich anstellt.«
»Muss ich mir Sorgen machen?«
»Warum nicht?« Mit lächelnder Miene hatte sie ihm geantwortet. »Konkurrenz wirkt doch angeblich belebend auf eine Partnerschaft.«
Der Service der Agentur reichte der Internet-Präsentation zufolge vom Vermitteln passender potentieller Partner bis zur Rundum-Betreuung vor Ort, etwa der Fahrt in einer festlich geschmückten Pferdekutsche vom ausgewählten Platz des Treffens zum gewünschten Lokal.
»Das klingt wirklich überzeugend«, hatte Ann-Katrin erklärt, »vorausgesetzt, du lernst einen sympathischen Menschen kennen.«
Hessler hatte offenkundig eine Marktlücke erspäht und sie – sofern der erste Eindruck nicht täuschte – mit Bravour ausgefüllt. Welche finanziellen Forderungen er für seine Dienste stellte und welche Techniken er benutzte, passende Partner zu finden, wurde freilich nicht ersichtlich.
»Und was kostet der Spaß?«
Braig hatte vergeblich versucht, die Frage seiner Partnerin auch nur ansatzweise zu beantworten.
»Ich fürchte, wir könnten uns das nicht leisten.«
»Haben wir das nötig?«
»Zum Glück nicht«, hatte sie erklärt, den Laptop zur Seite geschoben und ihn umarmt, »wir haben es auch ohne
Romantic Meeting
geschafft, oder?«
Braig löste seinen Blick von dem Fernsehmonitor, auf dem bereits der nächste Kandidat posierte, bat Rössle, sich einen groben Überblick über die Inhalte der übrigen Bild- und Tonträger zu verschaffen. »Ich muss in Hesslers Büro, mit seiner Sekretärin sprechen. Wenn du die Wohnung hier gründlich überprüfen könntest?« Er sah das zustimmende Nicken des Spurensicherers, nahm Hesslers Adressbuch an sich, verabschiedete sich von dem Kollegen.
Die Agentur lag mitten im Stuttgarter Westen. Braig hatte nicht lange suchen müssen, das Haus nach wenigen Gehminuten von der S-Bahn-Haltestelle Schwabstraße aus erreicht. Es handelte sich um ein gewöhnliches mehrstöckiges Gebäude mit relativ frisch hergerichteter Fassade. Kein Schaufenster, kein Plakat, nur ein kleines, geschmackvoll beschriftetes Messingschild kündete von der Existenz der Agentur im ersten Obergeschoss.
Der Kommissar drückte die Klingel, hörte das Summen des Türöffners fast im selben Moment. Er betrat das Treppenhaus, folgte den hellen Marmorimitatstufen in die Höhe, sah eine adrett gekleidete Frau an der geöffneten Tür stehen. Ihre Aufmachung stand in strengem Kontrast zu ihrer Körperhaltung und ihrem Gesichtsausdruck: So vorteilhaft die weiße, von zartrosa Blüten geschmückte Bluse mit ihren langen, dunklen Haaren und der schwarzen Jeans auch korrespondierte, so unpassend gesellten sich dazu das von Tränen verschleierte Gesicht sowie die hängenden Schultern der jungen Frau.
Braig hörte ihr leises Schluchzen schon von der Treppe her, nahm die letzten Stufen mit großen Schritten, stellte sich vor. »Frau Groll?« Noch bevor er nach Bernhausen in Hesslers Wohnung gefahren war, hatte er mit ihr telefoniert, sie über das Geschehen informiert und seinen Besuch angekündigt.
»Raphaela Groll«, bestätigte sie mit schwacher Stimme. »Wie hat das passieren können? Warum haben Sie ihn nicht bewacht?«
»Wir wissen bisher zu wenig«, bekannte er. »Deshalb benötige ich Ihre Hilfe. Darf ich?« Er wies ins Innere des Büros, folgte ihr in einen großen, mit mehreren bequemen, samtroten Sesseln ausgestatteten Raum. Mittendrin ein kleiner, kreisrunder Tisch mit verschiedenen Prospekten, gesäumt von zwei hohen, fast zwei Meter aufragenden Grünpflanzen, an der Rückwand ein eleganter, heller Schreibtisch samt Rollschrank und Laptop.
»Er wurde wirklich absichtlich …?«, fragte sie, den Rest des Satzes verschluckend.
»Es sieht so aus, ja.« Braig nahm in einem der Sessel Platz, betrachtete die großformatigen Fotos, die die Wände mit prächtigen Landschaftsmotiven aus der näheren und weiteren Umgebung schmückten. Er erkannte auf Anhieb die
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