Schwaben-Liebe
strahlte ihm mit veilchenblauen Augen entgegen. Ein Sonnyboy wie aus dem Bilderbuch. Eingebettet in eine traumhafte Sommerlandschaft, überragt vom anmutig auf einem Felsen schwebenden Schloss Lichtenstein schenkte er dem Betrachter sein freundliches Lächeln. Dem Betrachter? Die in dicken, farbigen Lettern ausgeführte Überschrift machte unmissverständlich klar, wem die Gunst des Strahlemanns galt:
Romantic Meetings – mit mir
.
»Er ist Ihr neues Werbemodell«, meinte Braig anerkennend. »Da stehen die Frauen Schlange, wie?«
»Schön wäre es, ja.« Zum ersten Mal im Verlauf ihres Gesprächs ließ Raphaela Groll den Anflug eines Lachens erkennen. »Ich war dabei, als Herr Hessler ihn fotografierte. Wir waren ständig von Frauen umgeben. Dass keine in Ohnmacht fiel, war alles.«
»Weshalb haben Sie ihn hier notiert?«
»Na ja, Herr Hessler hat etwas geschummelt. Herr Weissmann war auf einem Fest dabei, das von uns organisiert wurde.
Mit Dampf auf die Alb
. Ein Zug mit alten Wagen, gezogen von einer Dampflok von Tübingen nach Gammertingen und einem anschließenden Festessen. Mein Chef ließ sich die Gelegenheit nicht entgehen, Herrn Weissmann ausführlich zu fotografieren. Als Teilnehmer des von uns veranstalteten Festes.«
»Aber nicht als Werbe-Modell?«
»Nein, das war nicht ausgemacht. Herr Hessler wollte ihn überraschen und mailte ihm den Prospekt-Entwurf zu. Einen Tag später tauchte Herr Weissmann persönlich bei uns auf.«
»Er wurde ausfällig?«
Raphaela Groll winkte mit ihrer Rechten ab. »Nein, um Gottes willen, was denken Sie! Er blieb höflich vom Anfang bis zum Schluss. Ganz Gentleman.« Unverhohlene Bewunderung sprach aus ihrer Miene.
Fehlt nur noch, dass sie vollends in Verzückung ausbricht, überlegte Braig. Wahrscheinlich ist es nur der überraschende Tod ihres Chefs, der sie daran hindert. »Herr Weissmann verbat es sich, als Werbe-Modell benutzt zu werden. Richtig?«, fragte er.
»Genau, ja. Das war nicht ausgemacht, erklärte er völlig zu Recht. Er ersuchte dringend darum, sein Konterfei nicht in dieser Aufmachung zu verwenden. Als Teilnehmer der Dampfzugfahrt und des anschließenden Festes, ja. Aber nicht als Werbe-Modell für unsere Agentur.«
»Herr Hessler zeigte sich einsichtig?«
Die junge Frau zögerte mit ihrer Antwort. »Mhm, was soll ich sagen. So schnell gibt der Chef nicht auf.« Sie merkte, dass sie wieder im Präsens gesprochen hatte, schaute erschrocken auf. »Also, na ja, Herr Hessler konnte schon etwas hartnäckig sein. Und die Wirkung Herrn Weissmanns auf Frauen … Also, das war schon verlockend. Er bat ihn, es sich doch noch einmal zu überlegen.«
»Aber Herr Weissmann wollte nicht länger überlegen.«
»Nein, das wollte er in der Tat nicht. Für ihn war die Sache klar. Er hatte keine Absicht, als Werbe-Modell aufzutreten.« »Und Ihr Chef?«
»Er versuchte, ihn umzustimmen. Telefonisch, mehrere Tage lang. Er könne ja die Gesichtszüge etwas verändern, schlug er ihm vor und mailte ihm verschiedene Ansichten. Na ja, ich sage ja, er konnte manchmal ganz schön hartnäckig sein. Wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, wollte er das unbedingt durchziehen.«
»Aber er hatte keinen Erfolg«, meinte Braig.
»Nein, den hatte er nicht. Irgendwann, ich glaube, es war vor vierzehn Tagen, tauchte Herr Weissmann nochmal bei uns auf.«
»Und dann flogen die Fetzen.«
»Nein, so können Sie das nicht formulieren. Herr Weissmann bat nur eindringlich darum, nicht mehr mit Vorschlägen hinsichtlich seines Fotos belästigt zu werden. Er habe keine Absichten, als Werbeträger aufzutreten, fertig, aus.«
»Das war alles?«
»Soweit ich weiß, ja.«
Braig musterte die Miene der jungen Frau, wusste nicht, inwieweit er ihr den Verlauf des Treffens abkaufen konnte. Sie schien dermaßen von diesem Weissmann beeindruckt, dass sie – sei es bewusst oder unbewusst – in der Gefahr stand, sein Auftreten zu glorifizieren. Was sich wirklich zwischen den beiden Männern abgespielt hatte, ob der Konflikt vielleicht ernsthaft eskaliert war und gar zum Tod Hesslers geführt hatte – er musste Weissmann aufsuchen und den Mann persönlich zur Rede stellen, das schien ihm der einzige Weg, eine korrekte Antwort auf seine Frage zu finden. Immerhin hatte Raphaela Groll den Namen des gut aussehenden Sonnyboys selbst notiert – ihrer unverhohlenen Faszination zum Trotz. Seiner Unschuld zuliebe die Hand ins Feuer zu legen, wagte sie also nicht.
Was den Mann zusätzlich in
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