Schwaben-Liebe
Misskredit brachte, war die Tatsache, dass ihm, Braig, sein Name und seine Person bekannt vorkamen. Irgendwann im Umfeld seiner Ermittlungen in den vergangenen Jahren war er als Tatverdächtiger mit genau derselben Beschreibung, die er eben gehört hatte, aufgetaucht: Gerd Weissmann, der Schönling, der so viele Frauen betörte. Er versuchte, sich an die genauen Zusammenhänge zu erinnern, hatte keinen Erfolg.
Braig überflog die Adresse des Mannes – Reutlingen – wusste plötzlich, woher er ihn kannte. Neundorf, seine Kollegin, hatte Weissmann im vergangenen Jahr vernommen – als Tatverdächtigen im Mordfall an einer Frau, die in Reutlingen auf dem Grundstück von Weissmanns Freund gefunden worden war. Er erinnerte sich noch gut an die Schilderungen seiner Kollegin, wie sie sich über die Reaktionen vieler ihrer Geschlechtsgenossinnen auf das Erscheinen des Mannes mokiert hatte. Seltsam, dass der Typ jetzt schon wieder in einem Mordfall auftauchte. Er musste sich heute noch darum bemühen, ihn zu sprechen.
Braig musterte das Papier, sah den zweiten Namen, den Raphaela Groll notiert hatte. »Peter Listmann«, las er laut. »Was hat es mit dem auf sich?«
»Mhm, also.« Sie zögerte. Die Sache schien ihr peinlich. »Das lief nicht so besonders«, sagte sie dann.
»Ein Klient?«
»Ja«, antwortete sie. »Er ließ sich von uns eine Partnerin vermitteln.«
»Was ist mit ihm? Er war nicht zufrieden?«
»Zufrieden?« Die junge Frau schnappte nach Luft. »Nein, der war nicht zufrieden. Und das machte er Herrn Hessler auch klar. Über mehrere Wochen hinweg.«
»Was hatte er zu beanstanden?«
»Um es kurz zu sagen, er wurde getäuscht. Leider. Und wir sind alle darauf reingefallen.«
»Getäuscht?«, fragte Braig. »Wie soll ich das verstehen?«
Raphaela Groll zog die Nase hoch. »Die Frau, die ihm Herr Hessler vermittelte, war nicht die, die sich uns vorgestellt hatte.«
»Oh«, Braig konnte ein kurzes Lachen nicht unterdrücken. »Die Dame hatte eine attraktivere Freundin vorgeschickt?«
»Ja, so in etwa. Eine jüngere, wesentlich besser aussehende Freundin. Nein, nicht Freundin. Es war ihre Schwester. Mindestens zehn Jahre jünger und um Welten besser aussehend. Die Frau, die sich uns vorstellte, wurde von Herrn Hessler fotografiert und in verschiedenen Posen gefilmt, so wie er das mit allen Kandidatinnen und Kandidaten macht. Und Herr Listmann entschied sich bei seinem Besuch dann eindeutig für sie.«
»Aber als er zu dem vereinbarten Treffpunkt kam …«
»Genau da passierte es«, bestätigte Raphaela Groll. »Sie hatten den Kappelberg in Fellbach und das Restaurant dort oben als Ort ihrer ersten Begegnung gewählt. Ein feines Menü war vorbereitet, und Herr Listmann freute sich natürlich sehr auf das Treffen.«
»Aber dann wartete dort eine ganz andere Frau? Die er wesentlich weniger attraktiv fand?«
»Das allein war nicht das Schlimme.«
»Sondern?«, fragte Braig verwirrt.
»Herr Listmann ist Personalchef bei einer großen Bank. Er legte von Anfang an sehr viel Wert auf Diskretion. Ich würde mal sagen, der genierte sich regelrecht, sich auf diese Weise um eine Partnerin zu bemühen. Es gibt immer noch Leute, die sich erst überwinden müssen, selbst aktiv zu werden und dann auch noch dazu zu stehen, dass sie ernsthaft nach einem Partner oder einer Partnerin suchen. Herr Listmann gehört zu diesen Menschen. Und dann passiert das ausgerechnet ihm.«
Braig ahnte, was seine Gesprächspartnerin andeutete. »Er kannte die Frau, mit der er sich auf dem Kappelberg traf?«
Raphaela Groll nickte. »Allerdings. Sie war eine seiner Angestellten.«
»Oh, ich verstehe. Peinlicher hätte es für ihn nicht laufen können.«
»Nein, peinlicher hätte es nicht laufen können. Ausgerechnet für ihn, der so um Diskretion besorgt war.«
»Aber die Frau …« Braig zögerte. »Hatte Herr Hessler ihr nicht Fotos von dem Mann gezeigt, mit dem sie sich treffen wollte?«
»Doch, natürlich. Beide Partner suchen sich die Person aus, mit der sie sich zum Rendezvous verabreden.«
»Dann musste sie doch gewusst haben, wen sie da trifft.«
»Ja«, erklärte Raphaela Groll. »Das macht es doch umso schlimmer. Die Frau hatte es bewusst darauf angelegt. Ein paar Wochen vorher war sie wegen eines Dienstvergehens von Herrn Listmann ermahnt worden, die Bank wollte ihr kündigen. Und dann stieß ihre Schwester anlässlich ihrer Partnersuche bei uns auf ihn. Diese Chance ließ sie sich nicht nehmen. Wenn ich Herrn
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