Schwaben-Messe
lange?«
Rößle überlegte. »Kommt auf die Zahl der Personen an, die zu sehen sind. Und auf die Qualität der Aufnahmen und des Filmmaterials. Mindestens drei Tage, dät i mal sage.«
Neundorf wusste, wie ernsthaft und akribisch der Mann seine Arbeit ausführte, war davon überzeugt, dass er sich heute Abend noch ans Werk machen würde. »Auch wenn du heute noch anfängst?«
»Ich werde sogar sofort beginnen. Aber nicht länger als acht. Ich bin seit heute früh um sieben im Haus. Die Arbeit ist sehr aufwändig.«
»Was haben wir für Alternativen? Es muss schnell gehen.«
»Sehr schnell?«
Neundorf nahm kein Blatt vor dem Mund. »Vielleicht hängt es von uns ab, ob wir einen weiteren Mord verhindern können. Wenn wir nur die beteiligten Personen schnell identifizieren.«
»I versteh«, erklärte Rößle, »dann hat es keinen Sinn. Ihr braucht einen Großbildschirm. Wie im Kino, klar?«
»Das reicht aus?«
»Na gut, es ist kein Vergleich mit der Qualität unserer Arbeit, aber ihr habt die Vergrößerungen sofort. Live an der Wand. Fragt sich nur, wo besorgen.«
»Wir haben keinen?«
»Doch. Aber der goaht net. Kaputt. Leider.«
»Mist. Und jetzt?«
»I werd’s probiere«, versprach Rößle, »gebt mir zwei Stunden, okay?«
Neundorf bedankte sich, legte den Hörer zurück. »Rößle besorgt uns einen Großbildschirm. In zwei Stunden. Gehen wir derweil was essen?«
Braig spürte, wie hungrig und erschöpft er war. »Ich will mich nur vorher schnell frischmachen«, erklärte er.
35.
Alles ging viel schneller, als sie es gedacht hatten. Als sie kurz vor halb acht nach einem kleinen Imbiss wieder in Neundorfs Büro kamen, steckten zwei Faxe in ihrer Ablage. Das erste, abgeschickt um 18.40 Uhr, trug nur drei Worte und ebensoviele Ausrufezeichen. »Das Gerät kommt!!!«
Die zweite Mitteilung, datiert um 19.20 Uhr: »Es ist da. Sofort mit Video in mein Büro kommen. Rößle.«
Neundorf nahm das Band, stöpselte ihre Kaffeemaschine aus der Steckdose, klemmte sie samt Kaffeepulver und Tasse unter den Arm. Drei Minuten später hatten sie Rößles Räume im zweiten Obergeschoss erreicht. Er war gerade dabei, eine große Leinwand an einer kahlen Wand zu befestigen. Am anderen Ende des Zimmers stand ein kleines Gerät, das einem der alten Filmapparate glich, mit denen die Lehrer in der Schule Filme gezeigt hatten. Das Zimmer ähnelte einem Labor. Auf allen Tischen, die drei Seiten des Raums einnahmen, standen mehrere kompliziert wirkende Maschinen.
Sie begrüßten den Kollegen, bedankten sich für seine Hilfe.
»Wo hast du das Gerät organisiert?«, fragte Braig.
Helmut Rößle zeigte auf den Filmapparat. »Nur zur Information: Des Ding koschtet zwölftausend. Es isch net versichert, klar?«
Rößle trug eine dünne Nickelbrille, hatte ein schmales Gesicht, dünne, blonde, schüttere Haare. Er war Ende vierzig, trug schmale, dunkle Cordhosen mit mehreren Taschen an den Oberschenkeln.
»Keine Angst, wir werden …«
»Wurde uns freundlicherweise von einem großen Elektroladen, der in jeder Stadt Niederlassungen hat, überlassen. Den Name sparet mir uns, mir wollet doch koi Werbung mache, oder?« Er zeigte auf die Apparatur, steckte das Video in die dafür gedachte Öffnung, erklärte die verschiedenen Funktionen. »Morgen früh hättet die des Gelump gern wieder. Immerhin müsset die wege uns heut Abend auf ihre blöde Werbung verzichte. No ersparet mir dene ihre Kunde jetzt den ganze unnötige Scheißdreck.«
Das Bild war mindestens drei auf fünf Meter groß, wie in einem kleinen Kino. Neundorf stöpselte ihre Kaffeemaschine in die Steckdose, gab Pulver dazu, wartete, bis die Kanne zur Hälfte voll war. Als sie drei Tassen gefüllt hatte, setzte sie das Video in Gang. Rößle verfolgte die ersten Szenen, verschwand dann schimpfend aus dem Raum. »Ach, du große Scheiße«, maulte er, »i will schlofe heut Nacht.«
Sie gliederten die Leinwand in zwei Teile, versuchten, sich jeweils auf den eigenen Abschnitt zu konzentrieren. Braig die linke Hälfte, Beck die rechte. Neundorf, die Hägele nicht kannte, wollte auf auffällig unauffällige Personen achten, die der Kamera zu entgehen suchten. Dreißig Sekunden Film, stopp, kurze Besprechung, dann wieder zurück oder weiter.
»Selbst, wenn Hägele irgendwo auftaucht, wer weiß, ob wir ihn erkennen«, wandte Beck ein, »die Aufnahmen sind mehrere Jahre alt. Menschen verändern sich im Lauf der Zeit.«
»In dem Alter nicht mehr so stark«, erwiderte Braig,
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