Schwaben-Messe
sehen waren und schon ließ sich damit eine irre Stange Geld erlösen. Aber irgendjemand passte das nicht. Eine Person, die dadurch selbst in Gefahr geriet. Vielleicht, weil sie selbst auf dem Film zu erkennen war, oder weil ihre schmutzigen Geschäfte dadurch entlarvt werden konnten. Dieser Unbekannte tötete die beiden Männer auf eine Weise, die uns bewusst auf eine falsche Spur führen sollte. Sie wurden entmannt, damit wir sofort an einen der Angehörigen als Rächer der Opfer denken sollten. Und wir fielen prompt darauf herein. Die einzige Frage, die sich jetzt stellt: Wer ist die Person, die durch die Veröffentlichung des Videos so bloßgestellt wird, dass sie zu zwei Morden bereit war?«
»Hägele«, sagte Neundorf.
»Nicht unbedingt«, widersprach Beck, »vielleicht rief Jahn ihn so oft an, weil er ihn ebenso wie Grandel weichkochen wollte, dem Verkauf des Videos zuzustimmen. Und jetzt ist er selbst in Gefahr. Als potenzielles drittes Opfer.«
Braig schaute ihn betroffen an. »Wenn deine These stimmt, müssten wir den Mann warnen. Oder sogar unter Polizeischutz stellen.«
»Das wird kaum notwendig sein. Der hat sich dermaßen verbarrikadiert, dass kaum einer an ihn herankommt«, meinte Beck, »so viele Sicherheitsvorkehrungen wie rund um dessen Haus habe ich selten erlebt.«
»Er wird wissen, warum. Wahrscheinlich wurde er schon bedroht.«
»Dann ist er selbst schuld, wenn er sich uns nicht anvertraute.«
»Anvertraut? Wenn er in der ganzen Gewaltorgie mit drinhängt?«
»Deine Theorie in Ehren«, erwiderte Neundorf, »aber ich fürchte, wir unterschätzen diesen Hägele. Der ist viel zu clever, weit gefährlicher, als wir denken. Vielleicht ist er wirklich einer dieser Waffenorganisatoren, von denen wir sprachen, einer der Drahtzieher, die das Ganze steuerten. Insgeheim Beauftragter schwäbischer Politiker, den kroatischen Brüdern unter die Arme zu greifen. Der Typ sitzt im Finanzministerium, seit Jahren ein Hort der Konservativen. Wenn wirklich Hilfe aus Stuttgart kam, wäre seine Position ideal für die richtigen Connections. Vermittler zwischen Waffenproduzenten und Finanziers, insgeheim Beauftragter der Politik für das notleidende Bruderland. Nehmen wir also an, Hägele organisierte Waffenlieferungen, vielleicht sogar freiwillige deutsche Kämpfer. Dann hat er allen Grund, eine Veröffentlichung dieses Videos zu fürchten, auch wenn er, wie ich vermute, nur am Rande oder überhaupt nicht auf dem Band auftaucht. Wahrscheinlich ist er viel zu gerissen, sich in voller Montur ablichten zu lassen, sonst hättet ihr ihn längst erkannt. Grandel und Jahn waren mehrfach im Bild, er bisher, falls wir richtig liegen, nur mit der Erwähnung seines Vornamens.« Neundorf machte eine Pause, überlegte. »Das mit seinem Vornamen hätte nicht passieren dürfen. Vielleicht ist er in all den vielen Kampfszenen doch irgendwo einmal zu sehen? Mit dem mickrigen Monitor, der uns zur Verfügung steht, können wir das noch lange nicht abschließend beurteilen. Und er selbst ebenfalls nicht. Wenn Hägele beteiligt war, hat er keine hundertprozentige Garantie, dass er nicht doch irgendwann zu erkennen ist. Und das macht jede Veröffentlichung des Bandes für ihn – und für die Landesregierung – wirklich zu einem brutalen Risiko. So bleibt ihm und seinen Hintermännern nur die Notwehr. Und um uns abzulenken, clever erkannt, lieber Kollege, entmannte er die beiden Männer, und wir glauben prompt an die ›Rache der Opfer‹-Theorie. Was können wir tun, um ihm auf die Schliche zu kommen, falls er wirklich mitmischt? Uns bleibt nur eines: Wir müssen alle Personen, die auf dem Film zu sehen sind, vergrößern lassen, dazu Fahndungsfotos entwickeln. Wer weiß, wen wir entdecken. Hägele? Müsste doch möglich sein, oder?«
Neundorf griff ohne Zögern zum Telefon, läutete bei den Technikern an. Es dauerte eine Weile, bis sie an der richtigen Stelle gelandet war. Helmut Rößle wies sie zuerst darauf hin, wieviel Uhr es sei. »Zehn nach sechs. Feierabend. Klar?«
Neundorf kannte den Mann, wusste wie tüchtig er war, hielt ihre Aggressionen zurück. »Soll ich dir sagen, wie viele freie Minuten wir uns heute schon gegönnt haben?«
Rößle blieb friedlich. »Um was gohts?«
Sie schilderte ihm ihr Anliegen, hörte seinen Seufzer.
»Wie lange läuft das Band?«
»Achtundzwanzig Minuten.«
»Sind viele Personen zu sehen?«
»Etliche, ja.«
»Gut. Dann schick mir das Video her. Aber das dauert.«
»Wie
Weitere Kostenlose Bücher