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Schwaben-Messe

Schwaben-Messe

Titel: Schwaben-Messe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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»der müsste sich stark verkleidet haben, wenn er uns entgehen sollte.«
    In Großaufnahme entwickelte der Film zusätzliche Dynamik. Einstürzende Mauerwände hatten jetzt nicht mehr den Umfang einer Streichholzschachtel, sondern die Ausmaße einer Waschmaschine oder eines Kleiderschranks. Fleischklumpen der Tiere, die im Kugelhagel zerfetzt wurden, flogen nicht im Format von Ameisen über den Monitor, sondern regneten in fünf Metern Breite und drei Metern Höhe wie überdimensionierte Hagelkörner auf die Betrachter nieder. Teile fliehender Menschen, denen die unsichtbaren Verfolger die Gliedmaßen wegschossen, schlugen überlebensgroß auf die Leinwand ein. Beine, Arme, Köpfe schossen durch die Luft, klatschten an Wände, in angekohlte abgestorbene Bäume, auf blutgetränkten Boden. Dazu das Knallen der Schüsse, die Detonationen der Granaten, das Sirren der Querschläger, die Verzweiflungs- und Schmerzensschreie von Tieren und Menschen. Nach wenigen Minuten hatten sie den Gestank verwesender Tierkadaver, brennender Häuser, verblutender Menschen in der Nase, auf der Haut, in der Kleidung. Beck wurde es so schlecht, dass er den Raum verlassen musste. Augenblicke später weigerte sich Braig, sich das länger anzutun. »Ich will irgendwann im Leben noch mal schlafen können«, brummte er.
    Neundorf blieb hartnäckig. »Dann mache ich allein weiter. Ich will sehen, ob das Schwein dabei ist.«
    »Du? Du kennst ihn gar nicht.«
    »Eben«.
    Braig riss sich zusammen, schaltete das Gerät erneut ein. Die bekannte Szene im Stall, zerfetzte Rinderleiber, Lachen von Blut und Gedärmen. Plötzlich der Schrei aus dem Hintergrund: »Wald«, kaum hörbar der Vokal vorher. Im hinteren Teil des Stalls, am äußersten Rand des Films ein Glatzkopf mit grauweißem Haarkranz, ein Gewehr im Anschlag, gespannt in die Richtung des Rufers starrend, nur für den Bruchteil einer Sekunde sichtbar. Schon einen Herzschlag später war der Mann aus dem Bild verschwunden.
    Braig brüllte dermaßen laut, dass Neundorf erschreckt vom Boden hochsprang. Sie hatte sich an die Tischplatte gelehnt, das Grauen von unten verfolgt.
    »Da!« schrie Braig, rannte zum Apparat, stoppte das Band. »Er war es, ohne Brille.« Er ließ das Video kurz zurücklaufen, stoppte dann genau an der Stelle, wo der grauweiße Haarkranz ins Bild kam. »Beck. Wo ist er?«
    Neundorf stürzte aus dem Raum, rief draußen laut nach dem Kollegen, hatte ihn wenige Sekunden später im Schlepptau.
    Beck erkannte Hägele sofort. »Kontaktlinsen, wie?«
    Der grauweiße Haarkranz, die ovale, nach vorne offene Glatze, die Form des Schädels, eine Sekunde vorher das »Wald«, dann die schnelle Kopfdrehung des Haarkranzes, schon war er wieder verschwunden.
    »Hägele«, erklärte Braig, nachdem sie die Szene vier-, fünfmal betrachtet, von allen Seiten des Raumes begutachtet hatten, »ohne jeden Zweifel. Trotz fehlender Brille.«
    Beck stimmte zu, war sich hundert Prozent sicher. »Er ist es. Nur wenig verändert.«
    »Das reicht für den Staatsanwalt, oder?«, fragte Braig.
    Neundorf schüttelte den Kopf, schaute auf ihre Uhr. Zwanzig nach acht. »Bis wir das abgeklärt haben, ist es Mitternacht. Die endlosen Diskussionen kann ich mir jetzt schon vorstellen. Der Herr Ministerialdirigent. Da geht doch jedem Staatsanwalt der Arsch auf Grundeis.«
    »Was dann? Den Kerl herschaffen, hier vor den Bildschirm, ihn mit den Aufnahmen konfrontieren?« Braig lachte laut. »Das gelingt dir nur mit gezogener Pistole, wie ich den einschätze, und dann stehst morgen du vor dem Staatsanwalt.«
    Sie betrachtete ihre Kollegen nachdenklich, gab Braig recht. »Gut, dann sollten wir die Arbeit teilen. Ihr kümmert euch um den Haftbefehl und ich fühle schon bei dem Bonzen vor. Dem Kerl traue ich nicht. Wer weiß, ob nicht noch jemand auf seiner Todesliste steht. Ich will ihm keine Zeit lassen.«
    »Noch wissen wir nicht, ob er der Killer ist.«
    »Hier war er dabei«, Neundorf zeigte auf die Leinwand, »das reicht.«
    »Ich begleite dich«, erklärte Braig, dann, zu Beck gewandt, »erledigst du das bitte mit dem Staatsanwalt?«
    Der Kollege seufzte. »Okay, ich werde es versuchen. Ich gebe euch übers Handy Bescheid, wenn er unterschrieben hat, ja?«
    Neundorf nickte. »Wenn er sich total verweigert, meldest du es trotzdem. Dann lasse ich Hägele vorladen und setze ihn hier vor den Bildschirm. Aber die ganze Nacht.«
    Sie verließen Rößles Laborraum, eilten in ihr Büro.
    »Hast du Hägeles

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