Schwaben-Messe
»zweifeln Sie meine Worte etwa an? Fragen Sie doch die Nachbarn, hören Sie sich im Dorf dort um, was Ihnen die Leute erzählen.«
»Ich dachte, Deutschland sei ein aufgeklärtes Land. Und Schwarze Messen hier bei den Schwaben?«
»Ich sage Ihnen, die Frau ist unglaublich raffiniert, die nutzt jedes Mittel zu ihrem Ziel. Zuerst trieb sie ihren Mann in den Tod, um den Bauernhof in ihren Besitz zu bekommen.«
»Mord?«, rief Steffen Braig überrascht.
Gübler lachte sarkastisch. »Wir konnten es ihr nicht beweisen. Angeblich Suizid. Nach ihren Worten hing er in einem Schuppen und hatte sich aufgehängt, als sie einkaufen war. Die Ärzte kauften es ihr ab, aber Sie wissen, welche Quacksalber sich unter denen tummeln. Jedenfalls kam der gesamte Hof mit all seinen Äckern und Feldern dadurch in ihren Besitz, die Eltern des Mannes waren ebenfalls schon verstorben, ein unermesslicher Besitz, bedenken Sie nur, dass hier die neue Messe gebaut werden soll und der Flughafen nach weiteren Flächen strebt. Die Frau schwimmt im Geld. Und kaum war ihr Mann tot, fing es an mit den Orgien, Schwarzen Messen, Lesbentreffs. Jetzt hatte sie freie Hand.«
Steffen Braig schüttelte ungläubig den Kopf. Sein Chef wiederholte sich. »Schwarze Messen?«
»Glauben Sie, diese verstümmelte, verbrannte Leiche ist ein Zufall?« Gübler lachte laut. »Damals, als es gegen den Flughafen und die Autobahn ging, versammelten sich ganze Horden auf ihrem Hof, feierten nachts ihre Orgien. Sie hätten die Gestalten sehen müssen, aufgedonnert wie Tunten, angeschmiert wie im Puff. Lesbische Weiber, kreuz und quer. Lagerfeuer, Alkohol, Rockmusik, Drogen, Sie wissen doch, wie das läuft. Die geilten sich auf, fielen übereinander her und anschließend kam es zu Explosionen von Gewalt. Baumaschinen, welche die neue Autobahn betonieren sollten, wurden zerstört, Flughafeneinrichtungen, Zäune attackiert. Als die ersten Düsenjets morgens starten wollten, kreisten unzählige Heliumballons über den Landebahnen. Wochenlang, monatelang. Beinahe kam es zur Katastrophe.«
»Und?«
»Als die Bauarbeiten endlich weitergeführt werden konnten, war das Flughafengelände das bestbewachte Stück Land in der ganzen Republik. Wir ermittelten jahrelang, die Frau saß in U-Haft, nichts. Kaum war ein Teil der Bewachung abgezogen, ging es wieder los. Heliumballons, Anschläge. Wir konnten ihr nichts beweisen, damals nicht.«
Braig hatte das Landeskriminalamt erreicht, parkte den Wagen. »Und jetzt geht es um den Neubau des Messegebäudes, direkt am Flughafen, und schon liegt eine männliche Leiche auf dem Krauter-Hof. Wetten, dass die Frau gegen diese Art von Messe kämpft? Purer Zufall also?« Gübler schnaufte heftig. »Warten Sie ab, wenn wir den Toten identifiziert haben, ob es sich nicht um einen Angestellten dieser Messe-Gesellschaft handelt. Ich garantiere Ihnen, dass er damit in Zusammenhang steht. Die Frau mit ihrem Männerhass und ihrer Ablehnung von jeglichem Fortschritt. Aber diesmal wird sie mir nicht davonkommen. Braig, ich benötige Ihren ganzen Einsatz, um die Frau zu überführen. Das hat jetzt oberste Priorität!«
Braig spürte nur seine Kopfschmerzen, ging in sein Büro, holte sich zwei Aspirin, schluckte sie mit Wasser. Er wartete ein paar Minuten, bis er sich besser fühlte, und ließ sich dann alle vermisst gemeldeten Männer des letzten halben Jahres ausdrucken.
Bernhard Söhnle, ein junger Mitarbeiter im Rang des Kriminalmeisters, war zum Wochenenddienst eingeteilt. Er hatte ihn bereits erwartet.
»Hallo, ich soll dir helfen.«
Sie waren per Du, kannten sich seit einigen Monaten. Braig erklärte ihm den Sachverhalt, reichte ihm einen Teil der Blätter. »Zuerst sollten wir uns die Männer zwischen Ende dreißig und fünfzig etwa heraussuchen. Vielleicht die Berufe besonders beachten, der Arzt sprach von einem Kopfarbeiter, du verstehst?«
Bernhard Söhnle nickte.
»Erst, wenn wir nicht weiterkommen, gehen wir an die Jüngeren beziehungsweise Älteren.«
Braig betrachtete die Fotos der Vermissten, studierte ihr Alter. Die ersten drei Männer waren Mitte bis Ende siebzig, der eine vor drei Tagen aus einem Altenheim in Freiburg entlaufen, die beiden anderen etwa eine Woche zuvor von zu Hause in der Nähe des Bodensees und im Odenwald verschwunden. Bis auf den ersten waren sie, den Aussagen der Akten nach, verheiratet, lebten mit ihren Frauen zusammen. Familiärer Zoff, überlegte Braig, vielleicht hatten sie genug vom täglichen
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