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Schwaben-Messe

Schwaben-Messe

Titel: Schwaben-Messe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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Überschriften zum Besuch von Rockgruppen und neuen Kinofilmen.
    Jahn spürte Schweiß unter seinen Achseln, die Tropfen rollten die Brust hinunter, und sein Unterhemd wurde nass. Er verfolgte das seltsame Paar, das im Bogen um ihn herum stolperte, mit seinem Blick, überlegte, ob er die Gesichter kannte oder ob er sie zu Unrecht verdächtigte. Fünf Meter hinter ihm, die Augen einem Textilgeschäft zugewandt, standen zwei junge Männer, um die Fünfundzwanzig etwa, groß, blond, sportlich der eine, muskulös, dunkel, eher kleingeraten der andere. Sie beachteten ihn nicht, guckten nur in die Schaufensterauslagen, kommentierten die Waren und Preise, rissen Witze, amüsierten sich. Auffällig unauffällig liefen sie an ihm vorbei, zeigten ihm auch nicht für den Augenblick einer Sekunde ihre Gesichter. Jahn starrte ihnen nach, beobachtete sie, bis sie zum Roßmarkt abbogen. Ein alter Schäferhund trottete langsam hinter seiner Herrin her, blieb stehen, und schnupperte, als er bei dem schweißtriefenden Mann, der mitten auf der Straße stand und anderen Passanten nachgaffte, angelangt war an dessen Hose hoch, zwischen die Beine.
    Jahn schrak zusammen, scheuchte das Tier von sich weg, lief ein paar Schritte, versuchte, sich zu beruhigen. Vielleicht war überhaupt nichts dran an seiner Angst, vielleicht litt er doch unter einer Phobie, wie Ewo es ihm vor acht Tagen klarzumachen versucht hatte. Einbildung, nichts als Einbildung, hatte der ihm erklärt: »Du schaust zu viele Spionagefilme, beschäftigst deine Fantasie mit hohlem Gefasel irgendwelcher Regisseure oder Schauspieler, die es nicht wert sind, dass man sie beachtet.«
    »Ich schaue keine Filme«, hatte er ihm erwidert, »weder im Kino noch im Fernsehen.«
    »Du liest zu viele Krimis oder Schundromane.«
    »Ich lese überhaupt keine Bücher.«
    »Dann reiß dich zusammen. Ganz einfach.«
    »Das tue ich. Aber die Gefahr ist da. Sie beobachten mich.«
    »Ach, Quatsch. Wer denn?«
    »Du weißt genau, von wem ich spreche.«
    »Ich weiß nichts. Null.«
    »Du hast sie noch nicht gesehen?«
    »Sie gibt es nicht.«
    Jahn verstand. »Klar, dir können sie nichts tun. An dich kommen sie erst gar nicht ran. Du mit deiner Bewachung.«
    »Quatsch. Wer soll mich denn bewachen? Schluss jetzt mit dem Schwachsinn. Alles ist Einbildung. Es gibt keine Verfolger. Reiß dich endlich zusammen. Ich verbiete dir, mich nochmals mit dem Quatsch zu belästigen, hörst du? Von jetzt an ist mein Telefonanschluss für dich tabu, klar? Werde endlich wieder normal.«
    Er hatte den Hörer aufgelegt und sich jedesmal, wenn er ihn wieder anrief, ob privat oder dienstlich, verleugnen lassen. Klar, an ihn kamen sie nicht ran, er wurde bewacht wie sonst wer.
    Jahn blickte sich um, betrachtete die Passanten, die die Innere Brücke im Schein der Straßenlaternen entlangschlenderten oder von der Grünanlage her die Treppen hochstiegen. Er kannte niemand, vermochte nicht zu sagen, ob Leute dabei waren, die er in den letzten Tagen schon einmal bemerkt hatte. Der Typ mit den schwarzen Jeans und den Sportschuhen auf der Treppe? Er trug eine jener widerlichen Sonnenbrillen, die die Augen komplett verbargen, dem Gegenüber keine Chance gaben, das Gesicht vollständig zu sehen. Jetzt, bei Einbruch der Dunkelheit, noch mit Sonnenbrille? Jahn spürte, wie ihm noch mehr Schweiß kalt aus den Achseln lief. Hatte der Kerl nicht eben noch zu ihm hergeschielt?
    Jahn bewegte sich einige Meter weiter, wandte den Kopf zur Seite, drehte ihn dann blitzschnell wieder zurück. Die widerliche Sonnenbrille war verschwunden, die ganze Passage menschenleer. Jahn trat auf die andere Straßenseite, lehnte sich über die Brüstung. Unten, auf den letzten Stufen der Treppe, sah er den Mann. Er drehte sich nicht um, schien sich nicht für ihn zu interessieren, folgte dem Kanal durch die Grünanlage. War es doch Einbildung?
    Er hatte mehrfach versucht, Ogi zu erreichen, vergeblich. Immer war seine Alte am Telefon, dieses aufgedonnerte, geldgeile Weib.
    »Nein, Ogi ist nicht zu Hause, tut mir leid. Beruflich sehr angespannt, ja.«
    Er glaubte der widerlichen Alten kein Wort. Ob Ogi sich verleugnen ließ, weil Ewo es ihm so aufgetragen hatte? Jahn konnte es nicht glauben. So gut sie sich damals verstanden hatten, die beiden waren zu unterschiedlich, hatten sich seitdem auch völlig anders weiterentwickelt – nein, Ogi ließ sich von Ewo bestimmt nicht einschüchtern. Aber privat war er nicht zu erreichen, beruflich ständig unterwegs.

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