Schwaben-Messe
schwierig, ursprüngliche Maße zu eruieren. Ich habe es dennoch versucht. Aber übernehmen Sie meine Aussagen bitte mit Vorsicht. Die endgültigen Werte erhalten Sie vom Pathologen.«
Neundorf nickte geduldig. »Wie alt schätzen Sie ihn?«
»Um die Vierzig«, erklärte der Arzt ohne lange zu überlegen, »plus minus fünf. Kräftig, aber etwas aufgeschwemmt.« Er sah ihre zweifelnde Miene, fuhr schnell fort. »Bierbauch, zumindest im Ansatz, würde der Volksmund dazu sagen.«
Neundorf verstand.
»Und, was Sie sicher besonders interessieren wird: Der Mann hat eine Verletzung, die ich auf einen Schuss zurückführen würde.«
»Von heute Nacht?« Sie wirkte wie elektrisiert.
»Nein. Mehrere Jahre alt. Vernarbt. Hier, am rechten Oberarm, sehen Sie.« Dr. Kessler wies auf eine deutlich erkennbare Hautveränderung oberhalb des Ellbogens. »Vielleicht haben Sie den Mann im Computer.«
»Sie glauben, er war schon einmal an einem Verbrechen beteiligt?«
»Ein vager Verdacht, zugegeben. Vielleicht hilft es Ihnen weiter.«
»Ich werde es überprüfen, baldmöglichst. Vielen Dank.«
Neundorfs Handy piepte. Sie zog es aus der Tasche, meldete sich. Die Stimme Daniel Schieks, eines Kollegen von der Spurensicherung, klang aufgeregt. »Ich bin unten am Ende des Weinbergs, dort wo die Treppe anfängt. Hier liegen Kleidungsstücke. Hemd, Hose, Jacke, Unterwäsche. Größe 28 und 29. Sehen noch ziemlich frisch aus. Ich glaube nicht, dass die schon lange hier sind. Könnten von der Mauer heruntergeworfen worden sein.«
»Größe 28 und 29?«, fragte Neundorf laut.
Dr. Kessler hatte ihre Worte verstanden. »Das könnte passen«, sagte er.
»Na prima«, meinte sie, »dann kommen wir doch vorwärts.«
Es handelte sich um ein weites, weißes Hemd, an dem drei Knöpfe fehlten, eine helle, am rechten Ärmel eingerissene Leinenjacke, blaue Jeans.
»Es sieht so aus, als sei der Mann mit äußerster Gewalt und sehr hastig aus seinen Kleidern gerissen worden«, kommentierte Schiek, als er die Fundstücke einige Minuten später vorsichtig vorführte, »vielleicht finden wir auf den Stufen die fehlenden Knöpfe. Die Kollegen sind schon oben.«
»Kein Ausweis dabei? Oder ein Geldbeutel?«
»Leider nein. Scheint dem Mann ebenfalls mit Gewalt entrissen worden zu sein. Hier, sehen Sie.« Schiek zeigte auf die hintere Hosentasche, oben auf beiden Seiten ein Stück vom übrigen Stoff abgetrennt.« Ich könnte mir vorstellen, dass er beides hier aufbewahrte.«
»Das ist möglich, ja. Vorausgesetzt, es handelt sich wirklich um Kleidungsstücke des Toten. Das wissen wir erst, wenn wir sie im Labor auf Rückstände seiner Haut oder seiner Haare untersucht haben. Aber gehen wir davon aus, dass sie es sind. Dann muss es der Täter eilig gehabt haben, sich ihrer zu entledigen.«
»Sonst hätten wir sie nicht so schnell gefunden, ja.«
»Also hatte er Angst vor eventuellen Zeugen«, überlegte Neundorf. »Nur den Ausweis behielt er zurück. Falls der Tote überhaupt einen bei sich trug.«
»Zumindest einen Geldbeutel mit Scheckkarte oder den Führerschein wird er dabei gehabt haben. Es sei denn, er wohnte unmittelbar in der Nähe.«
Neundorf stimmte Schiek zu. »Aber den werden wir so schnell wohl nicht finden. So leicht wollte es uns der Täter garantiert nicht machen.«
Sie blickte nach oben, weil sie Geräusche gehört hatte, erkannte einen anderen Kollegen auf der Burgmauer unmittelbar über sich. Marcus Hartner winkte ihr zu. »Wir haben eine interessante Entdeckung gemacht«, rief er, »ich denke, das wird Sie interessieren.«
Sie deutete auf ihr Handy, rief ihm ihre Nummer zu. Zwanzig Sekunden später hatte sie ihn am Ohr.
»Ein Knopf«, erklärte er, »genau zwei Zentimeter Durchmesser, helle Farbe, gehört wohl zu einem Hemd.«
»Prima«, sagte sie, »das Hemd haben wir schon.«
»Oh«, Hartner zeigte sich überrascht, »dann bringe ich Ihnen das Fundstück gleich runter. Aber wir haben noch etwas. Eine Visitenkarte oder so ähnlich.«
»Wo?«
»Sie lag hier, zwei Meter unterhalb von mir, wo ich jetzt stehe.« Er winkte ihr zu, deutete auf den Boden. »Wir hätten sie beinahe übersehen. Sie steckte im Eck direkt unterhalb der Stufe, lehnte senkrecht am Stein, war also überhaupt nicht zu sehen. Nur weil wir alles abtasteten und mit den Lampen ausleuchteten, sind wir auf sie gestoßen. Sieht ziemlich neu aus, nicht verwittert oder verbleicht, kann also noch nicht sehr lange hier draußen liegen. Sie sind
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