Schwaben-Messe
Wohnzimmer, wandte den Blick zu dem Mann, der ihr gegenüber saß.
Bernd Heinel war um die Fünfzig, annähernd zwei Meter groß, breitschultrig und stattlich, von seiner ganzen Erscheinung her beeindruckend. Das Bewusstsein seiner außergewöhnlichen Erscheinung sprach aus allen Poren. Die Haut zeigte dezente Bräunung, sein Gesicht wirkte offen, freundlich und entspannt. Die dichten, grauen Haare standen ihm verführerisch gut. Ein Schönling, dessen Wirkung Neundorf bei aller Distanz nicht abstreiten konnte. Bernd Heinel als Mann für gewisse Stunden. Sie konnte nicht umhin, ihre Fantasie schweifen zu lassen. Gerade deshalb aber zwang sie sich zu einem besonders kritischen Verhalten.
»Wo waren Sie gestern Abend?«, fragte sie ihn rundheraus, nachdem ihr die Esslinger Kollegen nach einer ersten Vernehmung Heinels gemeldet hatten, dass der Mann alle Vorwürfe abstreite, zudem jede Verbindung mit Gerlacher verneine. Sie hatte sich telefonisch für den späten Abend bei ihm angemeldet, darauf gedrungen, dass ihr Besuch nicht verschoben werden könne. Sie wollte wissen, ob der Mann mit Jahns Tod zu tun haben konnte oder ob sie sich besser an der Fährte der »Männertouren«, die Mona Peters erwähnt hatte, halten sollte.
»Sie meinen, in der Zeit, in der Herr Jahn ermordet wurde.« Bernd Heinel blieb freundlich, äußerst zuvorkommend, zeigte trotz ihrer unterschwelligen Verdächtigung keine Spur von Aggressivität. »Ich muss Sie enttäuschen. Sie verschwenden Ihre Zeit, wenn Sie glauben, dass ich mit der schlimmen Sache zu tun habe. Meine Frau wird Ihnen gern bestätigen, wo ich war: in der evangelischen Stadtkirche bei einem Konzert. Gemeinsam mit ihr, unseren Nachbarn und anderen Freunden. Die Philharmonie aus St. Petersburg war zu Gast. Von 20 Uhr bis etwa 23 Uhr. Anschließend bummelten wir noch gemeinsam durch die Altstadt. Ich saß weit vorne, in der zweiten Reihe, eingerahmt von meiner Frau und den erwähnten Begleitern. Die gesamte Zeit. Nicht eine Minute Abwesenheit. Ist Ihre Frage beantwortet?«
Neundorf ließ sich nicht beirren. »Dürfte ich bitte die Namen Ihrer Nachbarn und Freunde wissen?«
Heinel lächelte freundlich, buchstabierte ihr Namen und Adressen, zudem die Telefonnummern.
Seine großzügige Auskunftsfreudigkeit besagte nicht viel, überlegte sie. Das Alibi konnte getürkt sein, der Konzertbesuch mit den Nachbarn abgesprochen. Wenn es hart auf hart kam, musste sie die Leute genauer unter die Lupe nehmen. Sie notierte sich seine Angaben, griff nach dem Glas Wasser, das er ihr angeboten hatte.
»Gute Freunde und Nachbarn sind im Notfall immer bereit, ein Alibi zu geben«, erklärte sie leichthin, trank, lächelte ihm freundlich zu. »Aber wir haben das bisher immer entlarvt, verlassen Sie sich darauf.«
»Keine Angst. An Ihrer beruflichen Qualifikation hege ich keinerlei Zweifel. Ich bewundere erfolgreiche Menschen, ob Mann oder Frau.« Heinel war nicht zu provozieren, blieb ruhig und vornehm. »Wenn es Ihnen helfen sollte«, sagte er beiläufig, »am Ende des Konzerts, wie gesagt gegen 23 Uhr, sprach ich kurz mit unserem Oberbürgermeister. Wir hatten schon zu Beginn ein paar Worte gewechselt. Darf ich Ihnen seine Anschrift geben?«
Neundorf spürte, dass ihre kritische Position immer wackliger wurde, spielte das Spiel, das eindeutig Heinel dirigierte, dennoch mit. Sie schrieb die Nummer des Oberbürgermeisters auf. Wenn Heinel soeben die Wahrheit gesagt hatte, war sein Alibi astrein. »Nicht, dass Sie glauben, ich denke, Sie hätten direkt etwas mit Herrn Jahns Tod zu tun«, erklärte sie, »wie ich von Herrn Gerlacher hörte, pflegen Sie derlei Aufträge zu delegieren. Deswegen sagt mir Ihre Anwesenheit gestern Abend in der Kirche auch nicht viel.«
»Herrn Gerlacher nehmen Sie ernst? Bei Ihrer beruflichen Qualifikation?«
»Sie werden nicht abstreiten, dass Sie Herrn Gerlacher ein Auto schenkten und zudem zehntausend Mark in Aussicht stellten. Als Belohnung dafür, dass er Herrn Jahn weichkochte, damit der Ihrem Wunsch nachkommen sollte.«
Bernd Heinel erhob sich, lachte leise. »Ich habe Herrn Gerlacher kein Auto geschenkt. Den Mann kenne ich nur weitläufig als Kunden, der bei uns in einem unserer Häuser einen Gebrauchtwagen erwarb, die Rechnung habe ich heute nachmittag Ihren Kollegen bereits gezeigt. Meine Sekretärin brachte sie eigens aus dem Büro. Wenn Sie Wert darauf legen, stelle ich Ihnen das Papier gern zur Verfügung. Hier, sehen Sie. Ich will Ihnen nicht
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