Schwaben-Rache
hatte.
Ausgerechnet in dem Moment, in dem sich der Verdacht gegen ihn erhärtete, war der Mann unauffindbar. Es blieb ihnen nichts anderes übrig: Ziegenfuß wurde zur Fahndung ausgeschrieben. Die Aussagen des Psychologen waren zu eindeutig.
Ziegenfuß also. Wer sonst kannte die drei Entführungsopfer näher und war zudem unmittelbar betroffen?
Neundorf und Braig wollten gerade nach Stuttgart zurückfahren, als sie auf Walter Kahn trafen.
»Der nächste Transport müsste, wenn nichts dazwischenkommt, morgen gegen Mittag eintreffen. Etwa sechs bis sieben Lastwagen«, teilte er ihnen mit, »wenn Schmidt nicht gewarnt wird, sollten Sie ihn überraschen können.«
Kahn fuhr sich mit der Hand über die große Wunde an seinem linken Arm, wobei er die rot gefleckte Hautpartie polierte.
»Sind Sie sich absolut sicher?«, fragte Steffen Braig.
»Mein Informant arbeitet seit Jahren bei Schmidt. Ich konnte ihn überreden auszupacken. Meine Karriere hat ihm die Augen geöffnet. Er ahnt wohl, dass ihm dasselbe Schicksal droht, wenn er nicht weiterhin alles einsteckt und kuscht. Lebenslänglich.«
»Wo kommen die Transporte her?«
»Immer vom selben Absender. Aus England. Sperrige Ladung, völlig unökonomisch verpackt.«
»Und Sie haben keine Ahnung, was geschmuggelt wird?«, fragte Neundorf.
»Tut mir leid. Das müssen Sie selbst herausfinden.«
Sein Arm war über und über mit Stichen und Schrammen übersät. Einige Hautpartien leuchteten grellrot, andere in feinstem Hellrosa, wieder andere waren dunkel verfärbt.
»Hatten Sie einen Unfall?«, fragte Braig.
Kahn schüttelte verlegen den Kopf. Er polierte eine intensiv dunkelrot glänzende Fläche, biss sich auf die Zähne.
»Sie sollten zum Arzt gehen«, empfahl Braig, doch Kahn winkte ab, das Gesicht deutlich von Verlegenheit gezeichnet.
»Ist nicht der Rede wert, stammt von heute Nacht. Mein Gott, es war dunkel, der Boden im Wald voller Gestrüpp, und im Eifer des Gefechts ...«
Steffen Braig lachte laut, zum ersten Mal an diesem Tag.
29. Kapitel
Das ganze Dorf wusste Bescheid.
»Der hat's dem gebe nach Strich und Fade. Wie der's verdient hat.«
Kommissar Braig hatte den Dienstwagen am nächsten Morgen in Lauberg noch nicht verlassen, als Frau Brüderle schon mit einer geballten Ladung Informationen über ihn herfiel.
»Wer? Wem?«, erkundigte er sich schwerfällig.
»Oh je, Sie sind en Dackel! Kapieret Sie überhaupt nix?«
Gerhard Kessel wagte sich nicht mehr aus dem Haus, weil alle Lauberger Ziegenfuß' Aktion guthießen und Kessels Augen kaum mehr aus seinem geschwollenen Gesicht zu blicken vermochten. Ziegenfuß hatte ihn grün und blau geschlagen, es gab keine Stelle in Kessels Gesicht, an seinen dickwülstigen Armen oder Beinen, soweit sie Braigs Blicken zugänglich waren, die keine Verletzungen aufwiesen.
»Wann war das?«, fragte Braig, als er Kessel in dessen Haus gegenübersaß.
Kessel schüttelte müde den Kopf, ohne zu antworten.
»Herr Kessel, wir wissen genau Bescheid. Es war die Rache für den Unfall am Wasserturm. Ganz Lauberg redet darüber. Ziegenfuß wollte Revanche für seinen Sohn.«
Gerhard Kessel drehte den Kopf zur Seite, wandte sich von Braig vollends ab.
»Sie sind nicht gerade hilfsbereit.«
Helmut Ziegenfuß war am frühen Morgen sturzbetrunken in seinem Stall aufgegriffen und nach Stuttgart ins Landeskriminalamt gebracht worden. Den vorläufigen Untersuchungen zufolge hatte er Gerhard Kessel in der vorletzten Nacht vor dessen Haus aufgelauert, ihn in einem Rausch von Hass und Rachegelüsten mit einer Stange verprügelt, sich dann irgendwohin zurückgezogen und die ganze Nacht und den nächsten halben Tag hindurch gesoffen. Dieser Sachverhalt sprach den Mann nicht von einer eventuellen Beteiligung an der Entführung Bofingers frei, wäre ihm doch nach den Berechnungen genügend Zeit geblieben, nach dem Attentat auf den Bauunternehmer auch noch den Überfall auf Kessel durchzuführen.
»Ziegenfuß steht zu seiner Prügelei mit Kessel, weist aber jeden Zusammenhang mit den Entführungen von sich«, erklärte Neundorf, die des Verhörs wegen im Amt geblieben war, am Telefon, »wir behalten ihn aber noch hier und setzen ihm weiter zu, bis sich der Alkoholpegel in seinem Blut etwas reduziert hat.«
»Hat er noch viel?«, fragte Braig.
»Drei Flaschen Hochprozentiges, schätzt der Arzt, alles gestern, mit kurzen Unterbrechungen.«
»Ein neuer Rekord, wie? Meinen Trip hierher kannst du vergessen. Aus Kessel ist nichts
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