Schwaben-Sumpf
Montagmorgen, wenige Minuten, nachdem sie in ihrem Büro angelangt war, die Stimme Robert Heimpolds im Telefonhörer.
»Sind Sie für diese Bilder verantwortlich?«, fragte er.
»Welche Bilder?« Sie war des frühen Morgens wegen noch zu benommen, auf Anhieb zu verstehen, wovon er sprach.
»Welche Bilder wohl? Die der beiden Monster in der Zeitung natürlich.«
»Ach so, ja. Wir suchen die Männer …«
»Weil sie mit dem Tod unserer Jessica zu tun haben sollen«, fiel er ihr ins Wort, »ich kann lesen, danke. Wollen Sie etwa behaupten, diese beiden Jugos haben Jessica auf dem Gewissen?«
»Jugos?«, fragte Neundorf überrascht. »Was meinen Sie damit?«
»Das wissen Sie nicht? Meine Frau hat sie erkannt«, sagte Heimpold mit gedämpfter Stimme.
Sie hatte Mühe, ihn zu verstehen.
»Sie ist völlig am Boden. Ich fürchte, sie benötigt ärztliche Hilfe.«
»Das tut mir leid. Ich hoffe, dass sie sich bald erholt. Sie wissen, wen Ihre Frau erkannt hat?«
»Ich kann es nicht fassen. Es ist zu verrückt, um wahr zu sein.«
»Leute aus Ihrem Bekanntenkreis?«, fragte Neundorf.
»Du täuschst dich, habe ich ihr erklärt, das ist unmöglich. Die sehen vielleicht ähnlich aus, ja, aber sie sind es nicht. Aber sie lässt sich nicht davon abbringen.«
»Um wen handelt es sich?«
»Nein, sie sind es, meint sie.«
Neundorf schwieg, wartete auf eine Erklärung.
»Die Söhne unserer Putzfrau. Ich kann es nicht glauben.«
»Die Söhne Ihrer Putzfrau?«
Heimpolds Antwort erfolgte ohne Zögern. »Das ist es ja. Und sie behauptet, sie sei sich absolut sicher. Hundert Prozent. Bei beiden Männern.«
»Und Sie? Was glauben Sie?«
»Ich?« Er ließ ein kurzes, sarkastisches Lachen hören. »Tut mir leid. Ich kenne sie nicht. Ich bin doch kaum zu Hause. Ich kenne weder die Söhne noch die Mutter. Aber ich darf nicht daran denken. Wissen Sie, was das bedeutet, wenn meine Frau recht hat? Die Mörder unserer Tochter – wir haben sie selbst ins Haus geholt! Verdammt, verdammt, verdammt!«
Neundorf wartete einen Moment, versuchte dann, ihn zu beruhigen. »Noch wissen wir nicht, ob sie es waren.«
»Aber Sie würden doch nicht nach ihnen fahnden, wenn sie nicht …«
»Wir müssen erst mit ihnen sprechen und sie vernehmen«, unterbrach sie den Mann, »es ist zu früh, sie jetzt schon als Täter zu bezeichnen. Wir wissen es wirklich noch nicht.«
»Aber warum bringen Sie dann ihre Fotos in der Zeitung?«
»Wir haben Hinweise auf die beiden erhalten«, antwortete sie, »Hinweise, nicht mehr. Und wir sind gezwungen, allem nachzugehen, was uns vorliegt. Tut mir leid, wenn ich noch nicht mehr sagen kann.«
»Ja, ich verstehe.« Heimpold schien sich zu beruhigen. »Sie machen Ihre Arbeit, so gut es geht. Und gleichgültig, wen auch immer Sie irgendwann erwischen, unsere Jessica wird davon nicht mehr lebendig.«
Neundorf war schon im Begriff, den letzten Satz ihres Gesprächspartners bestätigend zu wiederholen, unterdrückte den Impuls in letzter Sekunde. Der Mann war niedergeschlagen genug, sie musste diesen Zustand nicht noch verstärken. Sie ließ ihm Zeit, setzte dann zur entscheidenden Frage an. »Sie haben den Namen und die Adresse der Putzfrau und deren Söhne?«
Er benötigte ein paar Sekunden, zu begreifen, konzentrierte sich dann zu einer Antwort. »Meine Frau hat sie genannt. Ich hoffe nur, dass ich sie richtig verstanden habe. Sie war völlig durcheinander. Einen Moment bitte.«
Sie hörte ihn in verschiedenen Papieren blättern, hatte dann wieder seine Stimme am Ohr. »Vukmirovic«, sagte er, »Snezana, Dejan und Nenad.«
Neundorf notierte sich die Namen und die Anschrift, bedankte sich für die Auskunft.
»Sie gehen noch zur Schule«, setzte Heimpold hinzu, »ich weiß nicht genau, auf welche. Meine Frau meinte, auf das Dillmann-Gymnasium in der Innenstadt. Die Frau habe es ihr letzte Woche erst erzählt, voller Stolz. Heute Morgen müssten die dort zu finden sein. Aber wenn die wirklich Jessica …« Er schluckte, machte eine kurze Pause. »Dann sind die über alle Berge, meine ich. Oder?«
»Ich werde mich sofort darum kümmern«, antwortete sie.
»Und wenn die nur das Geringste mit dem Tod Ihrer Tochter zu tun haben, werden wir sie aufspüren. Und zur Rechenschaft ziehen. Das verspreche ich Ihnen.« Sie wusste selbst, wie bedeutungslos diese Worte waren. Inhaltsleeres Geschwafel, ohne jeden Belang. Dennoch hoffte sie, den Mann damit etwas über seinen Schmerz hinwegtrösten zu können, bedankte sich
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