Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwaben-Sumpf

Schwaben-Sumpf

Titel: Schwaben-Sumpf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
Vom Netzwerk:
noch einmal für seinen Anruf, beendete das Gespräch. Sie musste sofort reagieren, die Information überprüfen. Wenn sie viel Glück hatten, waren sie der Lösung des Falles einen bedeutenden Schritt nähergekommen.

11. Kapitel
    Volker Seibert benötigte genau fünfunddreißig Sekunden, um die Tür zu öffnen. Der Kriminaltechniker zog seinen Schlüsselbund zurück, richtete sich wieder auf, wandte sich seinem Kollegen zu. Ein triumphales Lächeln überzog seine Miene. »Und, was habe ich dir gesagt? Unter einer Minute. Diese Schlösser knackt dir jeder Ganove.«
    Felsentretter hatte keine Zeit für derlei Gefühle. »Mir wäre es lieber, wir hätten die Schweine hier gleich erwischt.« Er schob den Techniker zur Seite, drang mit entsicherter Waffe in die Wohnung ein. Es handelte sich um zwei über und über mit Schränken und Regalen sowie anderem Mobiliar vollgestellte kleine Räume, eine winzige Küche und eine enge, fast schlauchartige Kombination aus Bad und Toilette. Er schaute in alle Zimmer, öffnete die Schranktüren, zog sämtliche Vorhänge zur Seite, überprüfte die Hohlräume unter den Betten. Vergeblich.
    »In diesem Loch sollen drei Menschen leben?«, überlegte er laut. »Das ist unmöglich.«
    Schrank neben Schrank, zwei Betten in einem Zimmer, ein großes Sofa mit Tisch und drei Stühlen, Fernseh- und Videogerät im anderen, alles zusammen vielleicht dreißig bis fünfunddreißig Quadratmeter. »Siehst du ein drittes Bett?«, fragte er.
    Die Fenster waren alle verschlossen, es roch streng nach ungemachten Betten und abgestandenem Essen. Draußen, keine zwei Meter von der im Erdgeschoss gelegenen Wohnung entfernt, jagten Autos mehrspurig nebeneinander die stark befahrene Hohenheimer Straße hinauf.
    Seibert schaute sich um, versuchte sich zu orientieren. »Vielleicht das Sofa«, schlug er vor, »sonst fällt mir nichts ein.«
    »Die haben uns angeschmiert«, schimpfte Felsentretter. »Hier finden vielleicht drei Ratten Platz, aber niemals drei Menschen.«
    Neundorf hatte ihn informiert, gerade als er kurz nach acht Uhr in seinem Büro eingetroffen war. »Es scheint, als hätten wir die Täter.«
    »Täter?«, hatte er überrascht gefragt.
    »Die Phantombilder – hast du sie nicht gesehen? Seit gestern Abend sind sie in den Medien.«
    »Gestern war ich mit Sophia in der Wilhelma. Da war keine Zeit für die Glotze.«
    Er dachte voller Freude an die Begeisterung seiner Tochter, die unbeschwerten Stunden mit ihr, nachdem es ihm am Samstagabend zum Glück noch gelungen war, seiner Frau klarzumachen, dass er den Sonntag allein mit Sophia und ohne ihre nervende Gegenwart verbringen wolle. »Ich möchte den Tag in guter Erinnerung behalten. Eifersüchtiges Gezänk und Gekeife höre ich unter der Woche genug.«
    Eingeschnappt und beleidigt hatte sie sich daraufhin mit einer ihrer geschiedenen Freundinnen verabredet.
    Kurz nach Zehn am Sonntagmorgen waren sie in der Wilhelma eingetroffen, hatten Tiergehege auf Tiergehege besucht. Ob bei der Fütterung der Seelöwen, dem Spaziergang der Elefantenkühe Zella und Molly mitten durch die Zuschauermassen des Parks oder dem Besuch der seltenen weißen Krokodile – Sophias Elan und Lebensfreude ließen ihn alle Befürchtungen, die er am Tag vorher hinsichtlich ihrer Zukunft gehegt hatte, vergessen. Vier Riesenportionen Eis, zwei Ladungen Pommes mit Mayo und Fleischküchle, dazu ein paar Flaschen Cola – sollte die Alte die Woche über wieder motzen und schimpfen; Felsentretter freute sich jetzt schon voller Häme auf den Moment, wo sie von ihrer Tochter von dieser angeblich unverantwortlichen Spendierfreude ihres Mannes erfuhr.
    Ihre pingeligen Erziehungsmethoden, ständigen Ermahnungen und haarspalterischen Kritikastereien nervten ihn dermaßen, dass es schon Schmerzen bereitete, nur daran zu denken. Vegetarische Ernährung, ausgewogene Vollwertkost, positive Lebenseinstellung – er konnte es nicht mehr hören. Er konsumierte Unmengen an Fleisch und Pommes, kippte Kaffee, Bier und andere Seelentröster, wie ihm gerade war. Und wenn es manchmal gewaltig über den Durst hinausging? War das wirklich so schlimm? Rechtfertigte das die Szenen, die sie ihm tagelang danach bereitete?
    Er konnte sich nicht ständig penibel im Zaum halten, musste ab und an ausbrechen, sich gehen lassen, um den ganzen Mist zu vergessen, den dieser Scheißjob ihm Tag für Tag nahebrachte, die Jauche, in der er ständig suhlte, von sich abzuwaschen – war das so schwer zu verstehen?

Weitere Kostenlose Bücher