Schwaben-Wahn
sind uns grundsätzlich untersagt.«
Braig stampfte vor Wut mit dem Fuß auf den Boden, kickte den Kieselstein zur Seite. Formal hatte der Mann Recht, daran gab es nichts zu zweifeln, in der Praxis aber fanden sich die meisten Mediziner in ähnlichen Fällen zu einer Auskunft oder wenigstens einem eindeutigen Hinweis bereit, vor allem wenn Braig auf das Landeskriminalamt als seinen Auftraggeber verwies. Im aktuellen Fall fürchtete er dennoch auf Granit zu beißen, handelte es sich doch um ein bewusst elitäres Haus, das nur Kunden besonderer Zahlungskraft zur Verfügung stand. Vertreter dieser Zunft zu einer Auskunft zu bewegen war oft nur mit richterlicher Anweisung möglich. Braig hatte großes Interesse, diese Zeit verschlingende Prozedur zu umgehen. Er erklärte dem Mann, von Wangbiehlers Vater über den Aufenthalt seines Sohnes in der Klinik informiert worden zu sein, und drängte auf eine schnellstmögliche Antwort auf seine Frage.
»Dann kommen Sie persönlich bei uns vorbei«, antwortete sein Gesprächspartner, »mein Name ist Conrad. Ich bin der Ärztliche Leiter des Hauses.«
Braig überlegte nicht lange, verabredete einen Termin gegen achtzehn Uhr, ließ sich die Lage der Klinik beschreiben. Er notierte sich die Angaben des Mannes, verabschiedete sich. Tübingen, am Rand der Innenstadt Richtung Waldhäuser Ost. Der Tag würde sich in die Länge ziehen, soviel war jetzt schon abzusehen. Er spürte Hunger, schaute auf seine Uhr. Zehn nach vier. Wenn er den Termin in Tübingen rechtzeitig wahrnehmen wollte, musste er sich beeilen.
Braig folgte dem lang gestreckten Gebäude des Innenministeriums, bog in die Karlstraße ein. Scharen von Passanten kamen ihm entgegen, Einkaufstaschen oder Aktenmappen in der Hand. Wenige Meter neben ihm bellte ein Hund; er drehte sich um, sah ein zähnefletschendes Tier, eine ältere Frau an einer Leine hinter sich her zerrend, vergeblich einer Taube nachjagen. Mehrere Leute blieben stehen, betrachteten laut lachend das skurrile Geschehen. Der Vogel hob sich in die Luft, ließ den Mischling vor Wut geifernd und seine Herrin quer über den Gehweg schleifend zurück. Braig wandte den Blick nach vorn, hörte sein Handy läuten, blieb stehen, nahm das Gespräch an.
»Endlich«, sagte Neundorf, »ich dachte schon, ich komme überhaupt nicht mehr dazu, mit dir zu reden.«
»Du hattest viel zu tun?«
»Keine ruhige Minute.« Ihre Stimme klang müde. Den Hintergrundgeräuschen nach befand sie sich in ihrem Büro.
»Frau Fischer hat dir Neues erzählt?«
»Leider nicht«, antwortete sie. »Wir kamen kaum noch zum Reden, weil sie sich um Frau Herzog kümmern musste. Deren Zustand verschlechterte sich wieder.«
»Das ist verständlich. Ihr einziger Sohn wurde ermordet und sie, in dem Alter ...«
»Ja«, seufzte seine Kollegin, »das ist richtig. Ich bin deshalb nicht lange geblieben. Wenn ich allerdings geahnt hätte, was mich hier wieder erwartet ...«
»Koch?«
»Wer sonst? Er ließ mich zu sich zitieren, warf mir vor, ihm wichtige Informationen vorenthalten zu haben.«
»Was soll das sein?«
»Herzog. Unser Toter vom Bärensee.«
»Wieso? Wir hätten heute Nachmittag doch alles an die Staatsanwaltschaft weitergegeben.«
»Heute Nachmittag. Eben. Darum geht es. Wenn Terroristen zuschlagen, die die halbe Welt ins Unheil stürzen, muss die Staatsanwaltschaft
umgehend
informiert werden.«
»Terroristen? Wer soll das sein?« Braig hörte den Hund wieder bellen, sah auf.
»Karl Herzogs Mörder.«
»Wie bitte?« Er drückte das Handy fest auf sein Ohr, wich einer Gruppe von Jugendlichen aus, die lärmend die Straße entlangstürmte. Der Mischling starrte ihnen bellend nach. »Karl Herzogs Mörder, habe ich richtig verstanden?«
»Auch wenn du mir nicht glauben willst, es ist korrekt. Koch ist überzeugt davon, dass Herzog von den Leuten ermordet wurde, die hinter der Erpressung Big Brothers und des Flughafens stehen. Sie hätten den Mann ermordet, um auf die Unnachgiebigkeit ihrer Forderungen aufmerksam zu machen. Alles, was wir bisher ermittelt haben, spreche dafür: Zum einen die Tatsache, dass es sich bei dem Fahrzeug vom Bärensee um einen Daimler handle, zum anderen die Person Herzogs selbst. Er sei bei dem erpressten Konzern in gehobener Position beschäftigt.«
»Aber das stimmt so doch nicht«, erwiderte Braig, »der Mann war selbstständiger Psychologe. Nur in den letzten Jahren war er beratend für den Konzern tätig.«
»Nach den Aussagen seiner Frau allerdings
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