Schwaben-Wahn
leicht, das zu sagen, was mir auf den Lippen liegt.« Er trank von seinem Glas, stellte es dann auf den Tisch.
Braig tat es ihm nach, winkte ab, als sein Gastgeber auf die Flasche zeigte. »Aber genau darum würde ich Sie bitten«, sagte er.
Der Mann wog seinen Kopf bedächtig hin und her. »Ich gebe Ihnen Recht. Normalerweise gönnt man sich dieses Erlebnis mit seinem Partner. Aber da«, er schaute an Braig vorbei, sprach seine Worte nur zögernd aus, »hatte Karl wohl nicht so viel Glück.«
»Sie meinen, seine Frau hatte kein Interesse an der Musik. Oder war die Ehe nicht so gut?«
Rollers Antwort ließ auf sich warten. »Ich weiß nicht, ob ich befugt bin, mich in die Beziehungen anderer Menschen einzumischen. Aber bei Karl ...«
»Ja? Sie sind befugt, glauben Sie mir!«
»Sie hatten viel Streit. Es gab keine harmonische Partnerschaft mehr. Seine Frau brauchte ständig Geld.«
»Er sprach oft davon?«
»Sehr oft, ja. So oft, dass es mir schon peinlich war. Es ging um große Summen. Karl musste im Verlauf der letzten Jahre mehrere Wohnungen verkaufen, um die teueren Autos und Reisen seiner Frau bezahlen zu können.«
»Sie kennen Frau Herzog persönlich?«
»Weniger vom Sehen, als vielmehr aus Karls Berichten.« Roller erhob sich von seinem Platz, trat ans Fenster, schaute nach draußen. »Sie war schließlich auch der Grund, warum er seine Praxis in Esslingen aufgab und als Firmenberater tätig wurde«, sagte er dann.
Braig schaute zu ihm hoch. »Woher wollen Sie das wissen?«
»Wir sprachen oft darüber«, erklärte der Banker. »Karl suchte eine Gelegenheit, sich von ihr zu lösen. Die Tätigkeit als Firmenberater versprach lange Aufenthalte im Ausland oder anderen Städten.«
»Warum ließ er sich nicht scheiden?«
Tobias Roller lief zu seinem Stuhl zurück. »Dazu war Karl zu anständig«, sagte er.
»Zu anständig?«
»Sie haben ihn nicht gekannt«, erklärte sein Gegenüber, »sonst würden Sie mich verstehen. Karl Herzog war zu gut für diese Welt. Er ließ sich nicht scheiden, weil seine Frau ihm deutlich zu verstehen gab, dass sie die Scheidung nicht wollte. Also verzichtete er darauf. Er wollte ihr nicht weh tun.«
»Sie wüssten also keinen Grund, warum jemand Karl Herzog als
Schwein
bezeichnen sollte?«
»Um Gottes willen, nein!«
Braig hatte immer noch Schwierigkeiten, das Bild, das Tobias Roller von Karl Herzog zeichnete, zu akzeptieren, obwohl die Beschreibung genau dem entsprach, was er zuvor von Robert Meurer und über Neundorf von Olga Fischer erfahren hatte. Karl Herzog, ein in jedem Sinne guter Mensch, der für alle nur das Beste wollte? Eine vollkommen gutherzige Person, die keine Schattenseiten aufzuweisen hatte?
»Ich weiß, wie weit entfernt von jeder Realität das klingt«, setzte Roller hinzu, »aber Karl Herzog war wirklich ein sanftmütiger, weitgehend von Aggressionen freier Mensch.«
Fehlt nur noch, dass er ihn zum Heiligen ernennt, überlegte Braig. Die Schmerzen in seinem Kopf machten ihm wieder stärker zu schaffen; das Hämmern und Stechen hinter seiner Schläfe gewann bedrohlich an Intensität.
»Aber wie es aussieht, hat ihn genau diese Sanftmütigkeit jetzt das Leben gekostet.«
Braig hörte die Worte Rollers, sah auf. »Was wollen Sie damit sagen?«
»Ich weiß nicht, wie man ihn getötet hat, aber ich nehme an, er hatte die Waffe seiner Frau nicht bei sich, um sich zu wehren, oder?«
»Die Waffe seiner Frau? Was für eine Waffe?«
»Die Pistole, die sie damals organisierte, als er von verschiedenen Leuten bedroht wurde.«
»Herzogs Frau besorgte eine Pistole?« Braig starrte überrascht zu seinem Gesprächspartner. »Woher wollen Sie das wissen?«
»Von Karl natürlich, von wem sonst? Er wehrte sich mit Händen und Füßen dagegen, wollte die Waffe nicht haben.«
»Aber sie gab keine Ruhe?«
»Keine Sekunde«, erklärte Roller, »sie meinte, angesichts der ständigen Drohungen sei es besser, eine Waffe im Haus zu wissen.«
»Kennen Sie zufällig die Herstellerfirma?«
Braigs Gegenüber schüttelte den Kopf. »Es tut mir Leid, aber das ist nicht mein Metier. Von Waffen habe ich keine Ahnung. Ich hätte die Sache mit der Pistole auch völlig vergessen, wenn Karl nicht vor ein paar Wochen erst wieder darauf zu sprechen gekommen wäre.«
»In welchem Zusammenhang?« Der Kommissar hing gebannt an Rollers Lippen.
»Wir berieten die fast unerträgliche Situation zwischen seiner Frau und ihm. Seit sie die Pistole besorgt habe, äußerte er da so
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