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Schwaben-Wahn

Schwaben-Wahn

Titel: Schwaben-Wahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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Tage später.«
    Braig griff zu seinem Glas, trank von der kalten Flüssigkeit. Konnte er Meurer wirklich Glauben schenken? Wenn es stimmte, was der Mann erzählte, war jeder Verdacht gegen ihn überflüssig. »Dann brauche ich wohl kaum zu fragen, was Sie in der Nacht von Sonntag auf Montag getan haben?«
    »Karl Herzog wurde in dieser Nacht getötet?«
    Braig nickte, stellte das Glas zurück, behielt sein Gegenüber im Blick.
    »Einen Moment«, antwortete der Mann, »das kann ich Ihnen erklären.« Er drückte sich schwerfällig vom Sofa hoch, ging zur Tür, kam kurz darauf wieder zurück, ein kleines Kuvert in der Hand. »Wir waren in Berlin«, erklärte er, legte das Papier neben Braig auf den Tisch, »meine Frau und ich. Freitag mit dem Nachtzug hin, Sonntag auf Montag wieder zurück. Ankunft am Montagmorgen gegen sieben in Stuttgart. Corinna musste arbeiten. Hier ist die Fahrkarte, das Datum für den Schlafwagen ist aufgedruckt. Sie können gerne meine Frau fragen, falls Sie mir nicht glauben.«
    Der Kommissar studierte die Dokumente, sah, dass Meurer die Wahrheit gesagt hatte. Oben die Fahrkarten mit den Bettplätzen für die Hin- und Rückfahrt, dahinter das Duplikat des Hotel-Vouchers mit Datum und Namen der übernachtenden Personen: Robert und Corinna Meurer, Plochingen.
    Natürlich war das kein hieb- und stichfester Beweis für die Unschuld des Mannes, schließlich konnten andere an seiner Stelle dort genächtigt haben – Braig glaubte ihm trotzdem, Robert Meurers Auftreten schien überzeugend genug. Es gab Situationen, in denen er seiner Intuition, basierend auf mehr als fünfzehn Jahren beruflicher Erfahrung, vertraute, wo er sich sicher war, einen Menschen korrekt zu beurteilen, auch wenn ihm die endgültigen Beweise dafür fehlten. »Dann haben Sie sich mit Karl Herzog regelrecht versöhnt«, sagte er.
    »Nicht nur mit ihm, auch mit seiner Frau.«
    Braig schaute überrascht zu seinem Gesprächspartner auf. »Sie kennen Frau Herzog?«
    Meurer schwieg einen Moment, setzte sich wieder auf das Sofa. Er schob sein Bein ein Stück zur Seite, suchte mit den Händen Halt. »Ich wollte mich auch bei ihr entschuldigen. Ich fürchte, sie hat unter meinen Drohungen damals ebenfalls gelitten.«
    »Und Sie wurden von beiden empfangen?«
    »Ich hatte sie eingeladen in die Rosenau in Stuttgart. Wir verbrachten einen langen Abend miteinander. Ich glaube, Herzog hat mir meinen Sinneswandel abgenommen. Seine Frau – ich weiß es nicht. Ich fürchte, die Ehe war nicht mehr so gut.«
    Braig wusste, wie nahe Meurer mit dieser Bemerkung der Realität kam, gab dennoch keinen Kommentar ab. Erst beim nächsten Satz des Mannes wurde er hellhörig.
    »Herzog tat mir Leid. Ich glaube, sie machte ihm das Leben zur Hölle.«
    »Von wem sprechen Sie?«, fragte er irritiert.
    »Von seiner Frau, wem sonst? Sie saß den ganzen Abend dabei und provozierte ihn mit bissigen Bemerkungen. Eine ganze Reihe davon unterhalb der Gürtellinie, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
    »Herzogs Frau?«
    »Der Mann tat mir Leid. Ich hatte den Eindruck, dass meine Drohungen direkt harmlos gewesen waren – im Vergleich zu dem, wie sie mit ihm umsprang. Vor mir, einem Fremden.«

10. Kapitel
    Braig spürte Schweißperlen auf der Stirn und dem Rücken, kaum dass er ein paar Schritte gegangen war. Die Luft hatte jetzt, kurz vor elf Uhr, schon wieder hochsommerliche Temperaturen erreicht. Mit T-Shirts und kurzen Hosen bekleidete Jugendliche schlenderten lachend durch die Fußgängerzone, junge Mütter beobachteten eisschleckend das Spiel ihrer Kinder, eine Gruppe älterer Männer tauschte lauthals den neuesten Klatsch aus. Braig hatte den Plochinger Bahnhof fast erreicht, als er eine seltsam verzerrte Wiedergabe der Nationalhymne hörte. Er wusste nicht, woher das ungewohnte Geräusch kam, bemerkte erst nach zwei Wiederholungen, dass es sich um die Erkennungsmelodie seines neuen Handys handelte. Überrascht zog er das Gerät vor, gab das Gespräch frei.
    »Störe ich dich?«, fragte Neundorf.
    »Im Gegenteil«, antwortete er, »ich wollte dich auch anrufen, sobald ich im Zug sitze. Ich bin auf dem Weg nach Stuttgart.« Er berichtete ihr vom Anruf Tobias Rollers, erzählte von seinem Gespräch mit Robert Meurer.
    »Stefanie Herzog war bei diesem Versöhnungsabend also selbst dabei?«, vergewisserte sich Neundorf.
    »Mit unübersehbar aggressivem Verhalten gegen ihren Mann. Seine Drohungen seien harmlos gewesen im Vergleich zu dem, wie sie mit Herzog

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