Schwaerzer als der Tod Thriller
Meter hinter diesem Hügel führt ein Wirtschaftsweg entlang«, sagte sie und deutete in die Richtung hinter ihm. »Und knapp einen halben Kilometer weiter liegt das Büro des Sheriffs.«
Obwohl die Sonne erst in etwa zwei Stunden untergehen würde, begann es im Wald bereits dunkel zu werden. Und kalt. Anne schlang die Arme um sich und versuchte, nicht daran zu denken, wie es sein musste, von einem Ungeheuer in Menschengestalt hierhergeschleppt und in der Erde vergraben zu werden.
»Tut mir leid«, sagte Vince und trat wieder zu ihr. Er zog seine Jacke aus und legte sie ihr um die Schultern. Sie war so groß, dass Anne praktisch darin verschwand, und roch angenehm nach Sandelholzseife und Mann. »Sie frieren. Lassen Sie uns gehen. Sie haben eine anstrengende Woche hinter sich.«
»Ja, und sie hat genau hier angefangen.«
»Es muss ein ziemlicher Schock für Sie gewesen sein.«
»Ich nehme an, Sie sind so etwas gewohnt.«
Er schüttelte den Kopf. »Daran gewöhnt man sich nie. Man lernt, sich gefühlsmäßig dagegen abzuschotten, aber das ist schwierig. Ich will auch nicht, dass es jemals einfach wird.«
Irgendetwas raschelte in den verwelkten Blättern, die den Waldboden bedeckten. Anne spähte angestrengt in die zunehmende Dunkelheit auf der anderen Seite des Grabes. Sie meinte, halb verborgen hinter einem Baumstamm eine Gestalt zu erkennen.
»Jemand beobachtet uns«, flüsterte sie. Wahrscheinlich Franny , dachte sie, während sie gleichzeitig ein kalter Schauer überlief, und das passte irgendwie nicht zusammen.
Der Jemand musste ihre Blicke bemerkt haben. Es raschelte erneut, dann schoss eine Gestalt hinter dem einen Baum hervor zum nächsten. Eine kleine Gestalt. Ein Kind.
»Dennis?«, rief sie und ging auf das Grab zu. »Dennis, bist du das?«
Noch mehr Rascheln, und die Gestalt flitzte weiter zu einem dritten Baum. Anne begann zu rennen, Vince’ Jackett rutschte ihr von den Schultern.
»Dennis, komm her! Hab keine Angst. Komm her!«
Eine erneute blitzschnelle Bewegung. Sie rannte schneller, wich tief herabhängenden Ästen aus. Ihr Herz schlug so schnell, dass das nicht nur vom Laufen kommen konnte. Sie wollte ihn einfangen - sie musste ihn einfangen - im wörtlichen Sinn, im übertragenen Sinn, bevor er verschwand.
»Dennis!«
Sie erhaschte einen flüchtigen Blick auf ihn, mehr nicht. Er rannte weiter. Sie legte an Tempo zu.
»Anne!«, rief Vince, der ihr gefolgt war. »Anne, lassen Sie ihn laufen!«
Sie hatte den Eindruck, als hätte jeder Dennis laufen lassen, und das nicht zum Besten des Jungen, sondern weil es zu schwierig war, mit ihm fertig zu werden. Jemand musste ihn festhalten, sonst gab es wirklich keine Rettung mehr für ihn.
»Anne!«
Sie blieb mit der Schuhspitze an einer hervorstehenden Wurzel hängen und fiel. Verlor ihn. Dann schlug sie auf dem Boden auf.
»Anne!«
Im nächsten Moment war Vince bei ihr. »Alles in Ordnung?«
Nein , dachte sie. Sie begann unter der Last der Ereignisse, die sich tonnenschwer auf ihre Schultern gelegt hatte, zu zittern - eine grauenhafte Woche, die mit einem Verweis von der Schule für dasjenige Kind in ihrer Klasse geendet hatte, das am dringendsten der Hilfe bedurfte. Und jetzt rannte dieses Kind wie ein wildes Tier durch den Wald und trieb sich in der Nähe eines Grabes herum, aus dem es den Finger einer toten Frau gestohlen hatte.
»Hey«, sagte Vince und umfasste ihre Schultern, um ihr beim Aufstehen zu helfen, »Sie zittern ja.«
»Mir ist nichts passiert«, murmelte sie.
Es war ihr nichts passiert, trotzdem füllten sich ihre Augen mit Tränen, und sie betete zu Gott, dass es zu dunkel war, als dass Vince sie hätte sehen können.
»Ich bringe Sie nach Hause«, sagte er sanft und entfernte Blätter und Zweige aus ihren Haaren. »Sie sind ja völlig erschöpft.«
Seine Freundlichkeit gab ihr den Rest. Sie konnte unglaublich zäh sein, wenn es sein musste, aber Freundlichkeit … damit kam sie nicht klar. Ganz gleich, wie fest sie die Lider zusammenpresste, die Tränen quollen unaufhaltsam dazwischen hervor.
»Kommen Sie«, flüsterte Vince. Er nahm sie in die Arme und drückte sie so vorsichtig an sich, als wäre sie aus dünnem Porzellan. »Ist ja gut. An dieser Schulter haben sich schon andere ausgeweint.«
Zum ersten Mal in dieser Woche ließ Anne ihren Gefühlen freien Lauf. Sie gab den Versuch, sich zusammenzureißen, auf und ließ den Druck, der in ihrem Inneren immer größer geworden war, heraus.
Sie wehrte sich
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