Schwätzen und Schlachten
aufflog. Sollte man jetzt Tausende von Toilettenpapierchargen zerschreddern? Nein, den Hintern kann man sich auch mit erlogenen Informationen putzen und irgendein Idiot wird das Zeug schon kaufen und, richtig, da klingelte schon das Telefon in der Zentrale und ein gewisser Simon Glaser buchte das günstige Lebensabo, dieser Spezialpreis war einfach der Hammer.
Du hast dich schon wieder verhaspelt, sagte Sydow anklagend.
Stanjic versuchte, sich zu konzentrieren. Ich brauche einen Rollmops, sagte er weinerlich.
Igitt, sagte Sydow, Rollmops isst heutzutage kein Mensch mehr, das Wort wird bald aussterben. Gabs was Interessantes in der Küche?
Hülsenfrüchte, sagte Stanjic vergrämt, Simon hat immer schon die unangenehme Angewohnheit gehabt, riesige Quantitäten von Hülsenfrüchten zu vertilgen.
Jedes Böhnchen, hatte Stanjic höflich einmal zu ihm gesagt, gibt ein Tönchen.
Was?
Wie bitte heißt das.
Wie bitte?
Ach nichts.
Stanjic hatte keine Ahnung, wie er, ohne ordinär oder kindisch zu werden, dieses Gespräch weiterführen sollte, und brach es ab. Er fand furzen ein furchtbar ordinäres Wort und pupsen hoffnungslos infantil. Das war übrigens, wie er angelegentlich bemerkte, keine schlechte Methode, die beiden Länder zu charakterisieren: In Österreich wurde gefurzt, in Deutschland gepupst. Das sagte doch schon alles.
Ich verlor irgendwie den Faden, sagte Stanjic. Hätte ich den Wein nicht trinken sollen, war er etwa vergiftet? Mir war so seltsam und chaotisch, vielleicht befiel mich gerade das, wie hieß es doch gleich –
Französische Paradox, sagte Sydow hilfreich.
Nein, leider nicht, eher das Paris-Syndrom und ich hatte natürlich die Nummer von der Organisation International SOS nicht dabei.
Ich tigerte durch die Wohnung, im Schlafzimmer herrschte eine beträchtliche Unordnung, Simons Seele steht, meiner persönlichen Meinung nach, quasi vor dem Bankerott.
Im Bad wiederum gabs Neuigkeiten. Unter dem Spiegel saß ein fetter Buddha und grinste, Ohrwaschel bis zu den Schultern und eine Menge Bauchfalten. Der Buddha war neu, sagte Stanjic, ich holte mein Notizbuch hervor und schrieb: Buddha.
Nur das?, fragte Sydow, Buddha?
Ich fand es auch zu lapidar, stimmte Stanjic ihm zu, ich habe es durchgestrichen und fetter Buddha, geschrieben, Ohrwaschel. Bauchspeck, evt. Herz-Kreislauf-Störung? Bedeutung.
Das Fenster, fuhr er fort, das fiel mir gestern erstmals auf, lugt in den düsteren Norden, so viel Kompass steckt auch in mir.
Und?
Sicher findet das Feng-Shui das fabelhaft, meinte Stanjic, sicher findet das Feng-Shui, eine nördliche Toilette ist eine feine Sache, was soll, denkt das Feng-Shui, was soll auf unseren Unrat, auf unschönes Exkrement die Sonne lachen, so weit das Feng-Shui, in den Süden plant man besser die Räume der Glück bringenden Segnungen – die Glück bringenden Segnungen, sagte Stanjic vertraulich zu Sydow, sind ein wichtiger Topos, so man sich mit dem Feng-Shui beschäftigt – lägen nun also die Sanitärräume justament in der Baguazone – Baguazone, sagte er begeistert, ich bin ein toller Hecht – in der Baguazone also der Glück bringenden Segnungen , wäre das gewiss schrecklich.
Vermutlich spülte man in solchem Falle das Geld buchstäblich ins Klo, prompte Verarmung wäre die Folge. Wo bloß, habe ich mich gefragt, wo bloß rät das Feng-Shui, eine Toilette zu bauen? Eine Toilette muss gebaut werden, ein Klo muss her.
Wohin also, hatte Stanjic überlegt, wohin soll der Mensch mit seinem Klo, welche Zone wäre günstig, worunter verbucht man denn diese, tja, nennen wir es neutral: Tätigkeit? Dieses Rührigsein auf dem Toilettensitz, das Schaffen auf der Klobrille, unter was könnte man das subsumieren, Kreativität? Kontemplation? Sobald man sich für eine Zone entscheidet, wird einem schlagartig unbehaglich, bedenkt man die daraus resultierenden Folgen, man denkt: Aha, das ist also alles, was ich in der Kontemplation zuwege bringe, ist das nun mein spiritueller Fokus?
Und dann die Kreativität, sicher, so auf der Toilette hockend, gewiss, man schaffte, natürlich und unbestreitbar, man bringt etwas hervor, keine Frage, man produziert, aber soll das wirklich alles gewesen sein? Ist das nun, was wir meinen, wenn wir von uns behaupten: Ja, ich bin ein kreativer Mensch?
Wäre es nicht ungleich vorteilhafter, hier eine Hobelbank aufzustellen, eine Leinwand aufzuziehen, ein regelrechtes Atelier, um die großartigen Schwingungen bestmöglich
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