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Schwätzen und Schlachten

Schwätzen und Schlachten

Titel: Schwätzen und Schlachten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Roßbacher
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meinem Hintergrund –
    Ich winkte ab. Olaf winkte ab.
    Irgendwann, sagte er kauend, ist man zu alt für solche Ausreden.
    Meine Rede, sagte ich, aber Stanjic hielt noch eisern dran fest und kam darum: nicht einmal auf den Gedanken.

96. Die Causa Fritzl

    Wie bist du überhaupt reingekommen, fragte Glaser, als er winters am Abend nach Hause kam und David Stanjic erstmals neben dem Ofen fand wie ein Häuflein Unglück.
    Telekinetische Fähigkeiten, sagte Stanjic.
    Glaser stellte die Einkaufstasche auf einen Stuhl und schüttelte seine Mütze über der Spüle aus. Zur Abwechslung gabs Schnee, an einem Tag schneite es, am anderen regnete es wieder, Stanjic überlegte peripher, ob es vielleicht eine Gleichschaltung mit seinem Besuch bei Sydow oder Glaser gebe, aber er war viel zu trübselig für solch waghalsige Berechnungen.
    Telekinese, meinte Glaser, ich wüsste nicht, wie du mit Telekinese hier –
    Hast du was zu essen mitgebracht, fragte Stanjic, er kramte in der Tüte und riss eine Packung Weingummi auf, begann zu kauen.
    Und?, fragte Glaser.
    Mit dem Schlüssel natürlich.
    Mit welchem Schlüssel natürlich.
    Mit deinem Schlüssel natürlich.
    Der, den du natürlich nie zurückgegeben hast?
    Natürlich.
    Gibst du ihn mir bitte jetzt zurück.
    Nein.
    Glaser seufzte und nahm Stanjic die Weingummis weg, Sydow hat mich schon vor dir gewarnt.
    Wie gewarnt.
    Gestern hat er mich gerufen, nachdem du dort endlich Leine gezogen hast. Hat gesagt: Mach die Tür nicht auf, Simon, lass ihn bloß nicht zu dir hinein, der Winter macht ihn zum Zombie und zur Zumutung, zu allem Üblen mit Z, er ist die wandelnde Zerstörung. So ungefähr hat Frederik das ausgedrückt.
    Und das soll ein Freund sein. Ein Verräter, das ist er.
    Er sagt, du pöbelst nur rum.
    Ich pöble nicht! Ich mache gerade ein wichtiges Entwicklungsstadium durch.
    Und welches?
    Ich tue so blöd, wie ich kann, und es ist ganz wichtig, dass ihr mich trotzdem lieb habt.
    Hast du das aus deinen Psychoratgebern? Lies doch nicht so Drecksbücher, sagte Glaser. Für so was sind im Übrigen Mütter da, das kannst du bei deiner Mama machen.
    Eben nicht! Das kann ich eben bei meiner Mama nicht machen. Meine Mama war psychisch total gestört, emotionale Kälte, Koalkoholismus und das gepaart mit einer Borderlinestörung – und das ist jetzt nur meine private Ferndiagnose – meine Mama kann ich in der Hinsicht vergessen, die hätte mich maximal ins Gefrierfach gelegt, wie das dieser Typ Mütter tut, wenn das Kind nicht pariert.
    Das Gefrierfach ist eine deutsche Spezialität, ihr in Österreich habt für so was die Keller.
    Das stimmt, sagte Stanjic. In Österreich haben sie die Keller. In Österreich ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Kinder wie ich in einem Keller groß werden. Weißt du, als damals die Sache mit dem Fritzl aufkam, dachte man bei uns dann auch, dagegen war das mit Natascha Kampusch quasi ein Kindergeburtstag. Der Fritzl. Ein vollkommen Wahnsinniger, aber auch darin eben ein typischer Österreicher. Damit konfrontiert, dass seine Tochter, die er 24 Jahre lang eingesperrt hatte, in einem Interview sagte, er habe sie mit den Händen an einem Eisenbett festgekettet, sagte er: Ich? Sie an einem Eisenbett festgekettet? Niemals! Die hatte doch gar kein Bett!
    Das läuft in Österreich unter Schmäh, oder?, sagte Glaser.
    Ich weiß nicht. Vielleicht fällt das auch gar niemandem auf, kann gut sein. Gut war auch die Berichterstattung rundherum, Stanjic stöberte zwischen den Lebensmitteln auf dem Tisch und steckte sich irgendwas in den Mund. Einmal, da war schon das Gerichtsverfahren angelaufen, in Amstetten, und die Einwohner hattens satt. Sie hatten die schlechte Presse satt, die ihr Dorf neuerdings durch die Fritzlsache in der ganzen Welt hatte, sie wollten nicht mit dem Fritzl in einen Topf geworfen werden, sie waren nicht alle wie der Fritzl, aber sie wollten auch überhaupt nicht mehr zum Fritzl befragt werden, sie wollten von nichts gewusst haben und auch jetzt nichts davon wissen, wenn sie Fritzl hörten, sahen sie nur mehr rot. Musste nur einer kommen und sagen, wegen dem Fritzl, und er konnte die Beine in die Hand nehmen. In einem Artikel berichtete der Journalist, wie er – Stichwort: investigativer Journalismus – einen Bauern auf dessen Feldern aufsuchte.
    Der Bauer saß auf einem Traktor. In Klammern stand: Marke Steyr. Dann, nach der Fritzlsache befragt, gab der Bauer zu Protokoll: Wenn Se mi no a wos frogn, drah i Eana a Gwind ins Ohrwaschl!

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