Schwätzen und Schlachten
ballte sich sein Magen zusammen, vielleicht war sein Inneres für den Bruchteil einer Sekunde eine leere Hülle, weil ihm die Eingeweide in die Hose rutschten, vielleicht aber gab es dafür einfach keine adäquaten Worte, es war auch egal. Es war egal. Katharina sprach mit Simon. Sie tat, was auch immer sie für richtig hielt, und er tat auch, was er für richtig hielt. Er fasste sich an den Kopf, hörte denn dieses Denken niemals auf? Dieses ewige Rennen im Kopf?
David? Frederik schaute von unten her in sein Gesicht, ist was?
Nein.
Katharina, oder. Frederik nickte weise vor sich hin, schob mit seinem Messer ein paar versprengte Reiskörner auf die Gabel, die Uetliberg-Episode. Gekränkt und verletzt, sagte er, beleidigt und verunsichert. Dann Simon. Wer war er und wer ist er, Eifersucht. Rückzug. Liebeskummer. So ungefähr?
Ja, sagte David verblüfft, so viel Sachverstand und Durchblick hatte er von Frederik keineswegs erwartet, ja, sagte er, so ungefähr.
Aha, sagte mein Lektor zufrieden, endlich hältst du dich einmal an meine Liebestipps und vertraust auf meine lange Lebenserfahrung, er hakte irgendwas auf seiner Liste ab, vermutlich: Frederik von Sydow sollte sich mehr für David Stanjics Gefühlsleben interessieren. Weißt du, fuhr er fort, das macht uns Mathias gleich viel sympathischer. Viel.
Dann ist es ja gut, sagte ich erschöpft.
Ihr kriegt das schon hin, sagte Mathias, ach was! Frederik.
Wir kriegen das schon hin.
Weißt du, warum?
Nein. Ich glaube es auch nicht. Ich denke das im Rahmen meiner Selbsttherapierung, Konflikt aushalten, Zuversicht üben, der Glaube an die Bewegung und so weiter.
Das ist sicher alles ganz richtig, meinte Frederik milde, aber das Gute ist, dass noch etwas dazukommt.
Was denn.
Die Liebe, Himmelsmacht! Ihr passt hervorragend zusammen, ihr gehört zusammen, das sieht ein Blinder, und das wird euch immer Ansporn sein und Ermutigung.
Komisch, du klingst wie Onkel Dagobert.
Na ja. Ich habs von Onkel Dagobert. Ich habe mich heute mal ein bisschen mit ihm unterhalten, das mit dem Humor, das interessierte mich auch. Wir haben uns ein wenig über euch unterhalten.
Ach. Von wegen Humor oder was. Mal was zum Lachen haben oder wie.
Ja. Dann haben wir uns ein wenig über mich unterhalten, dann über ihn, wir haben uns einfach unterhalten. Es war eine gute Unterhaltung. Aber lassen wir das. Vertraue der Liebe, horch auf dein Herz und fühl den Puls, aber halt den Konflikt fürs Erste mal aus und vergiss ihn. Du wolltest mir vom Spazierengehen berichten.
Nicht direkt, David schob den Teller weg. Ich weiß nicht, ob so was unter Spazierengehen läuft, aber auf alle Fälle waren wir draußen streiten, gingen streitend ein wenig im Wald herum und streitend quer hindurch, dort ist irgendwann eine Schneise, da führt die Straße lang. Erinnerst du dich? Als wir das erste Mal hierherfuhren, und uns vielfach verfuhren, sind wir die Straße langgefahren, sie führt ins nächste Dorf. Dort, am Straßenrand, parkte ein Auto.
Von hinten beugte sich Tante Hildegard über den Tisch, Frederik und David machten ihr Platz, sie sammelte die leeren Teller ein, das Besteck.
Weiter, sagte Frederik, er hatte die Hände auf der Tischdecke gefaltet und schien versunken in die Betrachtung von Anna und Wolfgang, die, offensichtlich von Onkel Jodok bestens unterhalten, schrien vor Lachen, sicher erzählte er schlüpfrige Witze. Wolfgang hatte sich, das nur am Rande, die Haare abgeschnitten, an wichtigen Wendepunkten machten die Leute immer irgendwas mit ihren Haaren, sie ließen sie wachsen, sie ließen sie schneiden, er, Frederik, hatte schon des Öfteren versucht, das Schicksal damit zu überlisten. Er machte immer wieder mal was Neues mit seinen Haaren, er ließ sie schneiden, ließ sie wachsen, um sie dann wieder neu zu schneiden, in der Hoffnung, damit die Wende herbeizuführen, bisher hatte es –
Hörst du mir zu?, fragte David.
Ja sicher.
Was habe ich gerade gesagt.
Dass am Straßenrand ein Auto parkte.
Und danach.
Danach hast du nichts mehr gesagt, ich weiß nicht, warum.
Doch. Ich habe dir gesagt, was auf dem Auto draufstand.
Was denn?
Rate mal.
Auto.
Sehr witzig, auf dem Auto stand: Flinkster.
Frederik schaute noch einen Moment auf Onkel Jodok, er war dazu übergegangen, seine Schwänke pantomimisch zu untermalen, Wolfgang hatte den Kopf auf den Tisch gelegt und lachte sich krumm, er wandte den Blick ab und starrte David an, das ist es, sagte er. Nicht Flink.
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