Schwätzen und Schlachten
Frederik sofort, er sieht ihm keinen Deut ähnlich, der Mann an der Kreuzung ist dunkel und herb, Gabriel ist ein Schnösel. Ein Schnösel, wiederholte er angetan, er musste sich über kurz oder lang eingestehen, dass er für die Allerneueste Deutsche Literatur einfach ein hoffnungsloser Fall war, er mochte Quittenbrot und onduliert, ihm gefiel es, zu kramen und zu nesteln, für ihn war der Rotblonde ein Schnösel und er wollte, dass alles dufte war. Ein Schnösel, sagte er. Der Mann an der Kreuzung aber war kein Schnösel, der Mann, der immer in der Schlange hinter uns stand, stieg jeweils aus, um uns Beine zu machen, und er ist einer, dem man vom bloßen Ansehen sofort glaubt, dass er dazu in der Lage ist.
Also gut, sagte David, er hatte alles notiert, könnte er der Mann aus den frühen Filmen sein.
Ja, sagte Frederik nach kurzem Nachdenken. Nicht, dass ich mich sofort an den einen erinnert hätte, wenn ich den andern sah, aber es ist denkbar. Man wird älter, man verändert sich.
Dann, sagte David, lass es uns als These nehmen. Die Unbekannte X ist der Mann aus den Filmen. Was wissen wir von ihm?
Sie studierten ihre Stichworte zu den einzelnen Filmen, er war, sagte Frederik, über drei Jahre hinweg in fast jedem Film präsent, es müssen die Jahre in Leipzig gewesen sein.
Zumindest ein paar davon, sagte David, insgesamt waren es sechs –
Von Katharina, antwortete er auf Frederiks hochgezogene Woher-wissen-wir-denn-das -Augenbrauen.
Also gut. Weiter: Gab es eine männliche Rolle, fuhr Frederik fort, hat er sie gespielt. Und manche, nicht alle, aber manche der Filme werden von ihm und Katharina zusammen bestritten, oft in, na ja.
David nickte. Es war nicht angenehm, sich das klarzumachen, aber es waren meist amouröse Geschichten.
Gut, sagte Frederik, dann müssen wir für alles weitere Vorgehen einen nächsten Punkt klären, nämlich: Was sind diese Filme?
Kunst, sagte David, Neue Medien.
Sicher, aber was zeigen sie jeweils.
Keine Ahnung. Soweit es mich als Betroffener angeht, kann ich sagen: zu viel. Sie zeigen zu viel und zu Intimes.
Aber das ist es!, rief Frederik, genau das und genau du bist der Türöffner, diese Filme aufzuschließen!
Du meinst –
Ja sicher! Schau: Du kommst nach Zürich und wohnst bei Katharina Fitzwilliam. Katharina Fitzwilliam hat mit Simon studiert, sie haben zusammen diese Filme gemacht, was du scheinbar nicht in Zusammenhang bringst. Warum eigentlich nicht?
Ich weiß nicht. Ich war zu sehr mit meinem Cello beschäftigt, mit Klara. Mit dem C an sich. Blöderweise schreibt sie sich mit K. Im Übrigen sieht auch Katharina sehr anders aus als in diesen frühen Filmen, zum Beispiel trug sie damals die Haare kurz und noch dazu gefärbt. Ich wäre auch nie darauf gekommen, sie in so einen Kontext mit Simon zu setzen, vermutlich, weil mir Simons Schaffen von Anfang an gänzlich schleierhaft war.
Spielt jetzt auch keine Rolle, Frederik wachelte mit der Hand, Tatsache aber ist, dass die beiden offensichtlich über die Jahre hinweg im Kontakt, nein, nicht nur im Kontakt, sondern in Zusammenarbeit sind. Sie machen weiterhin gemeinsame Filme oder nutzen zumindest dieses Portal und speisen es mit jeweiligen eigenen Filmen, ob nun zusammen oder im Alleingang, weiß ich nicht, ist aber auch nicht wichtig. Jedenfalls: Katharina Fitzwilliam verliebt sich in dich.
Wieso bist du dir so sicher, vielleicht hat sie mich nur missbraucht.
Nein, hat sie nicht.
Wieso dann dieser Film, wieso die Uetliberg-Episode, wieso diese –
Weil sie, und diese Annahme ist wichtig, weil sie ihr Privatleben eben auf diese Art und Weise umsetzt – ob dir das nun gefällt oder nicht.
Es gefällt mir kein bisschen.
Das ist eure Privatsache, aber für unsere Zwecke ist es wunderbar.
Verstehe ich nicht.
Weil. Wenn sie das jetzt so macht, mit dir, sie verliebt sich, sie integriert dich in ihre Filme. Dann –
Dann hat sie es vielleicht immer so gemacht.
Exakt.
David schaute angesäuert. Das spricht nicht für ihre Wandlungsfähigkeit. Dabei ist die so wichtig, sagt mein Analytiker.
Mag sein, aber lass jetzt mal – Frederik stockte, wer bitte?
David starrte aus dem Fenster, es gab nichts zu sehen.
Dein – Analytiker?!
Das, sagte mein Lektor, blenden wir jetzt aus, dieses Konfliktfeld können wir einfach nicht beackern, wir können nicht noch ein Fass aufmachen, der Verleger hat gesagt, eine neue Nebenhandlung zusätzlich und er streicht mir das Urlaubsgeld.
Und wie soll ich das dann bitte
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