Schwätzen und Schlachten
durcharbeiten – in unterschiedlicher Reihenfolge.
Hm. David betrachtete ihn, das klingt aber schwer nach Freud.
Lieber David, ich glaube fast, du liest die richtigen Bücher.
David strahlte, danke Onkel Dagobert, das habe ich immer gehofft!
Einer meiner diesbezüglichen Handwerker erklärte mir das Phänomen des Humors einmal folgendermaßen: Was uns beispielsweise zum Lachen bringt, sagte er, sind die Fehler, die uns noch nicht unterlaufen sind. Es ist eine Imagination der eigenen Tollpatschigkeit oder der eigenen Schwäche in der Zukunft, sozusagen eine künstliche Verdoppelung und damit, und das ist das Wunderbare, überwindet man rein symbolisch das Bedrohliche der Situation. In diesem Tiefstapeln des Widerstands steckt der optimistische Hinweis, dass man sich der Situation nicht ohne Widerstand ausliefert. Dieser symbolische Vorgriff vermittelt neue Hoffnung auf eine Lösung auch im wirklichen Leben. Im Humor macht man sich dümmer, als man ist, und wird dadurch stärker, als man scheint.
Hm.
Bloß, Onkel Dagobert hob mahnend den Finger, denk jetzt nicht, man könne sich mit der Methode, quasi unablässig witzelnd, durchs Leben schlängeln.
Nicht.
Nein. Das wäre dann wieder was anderes.
Was denn.
Das nennt man Konfliktunfähigkeit.
Auch wieder nicht gut.
Nein, mein Lieber, das ist ganz und gar nicht gut und, wenn ich so impertinent und für einmal sehr persönlich werden dürfte?
Ich bitte darum.
Du hast Humor.
Das ist gut.
Du bist konfliktunfähig.
Das ist schlecht.
Um aber zu einem ausgereiften und vollendeten Mann und Mensch zu werden, bedarf es der Kombination, denke nur an Leonidas – konfliktscheu ist er weiß Gott nicht. Er sieht die Situation äußerst klar und er stellt sich ihr – mit einer gewissen Beweglichkeit, die von seinem Humor zeugt. Ich sage, um ein ausgereifter Mensch und Mann zu werden, aber das gilt als Frau natürlich auch, aber das willst du vermutlich nicht werden.
Nein, Onkel Dagobert, ich denke, das können wir ausschließen.
Sehr gut! Onkel Dagobert erhob sich, dann hätten wir das so weit.
David war ebenfalls aufgestanden und zusammen verließen sie die Küche, gingen durch die Diele und blieben vor der großen Treppe stehen.
Was aber, sagte David, wenn ich den Konflikt nicht aushalte.
Betrachte Humor als kleine Entspannung, als eine Art Insel. Wäre er Selbstzweck, so würde ich sagen, wird es schon wieder pathologisch – es ist wie mit Leuten, die unablässig reden, ohne aber eine Struktur darin zu haben. Sie kommen vom Hundertsten ins Tausendste. Das Reden dient aber nicht der Kommunikation, es dient nicht dazu, einen Gedanken über komplizierte Wege auszuführen, um dann, elegant und klug, wieder dort anzuknüpfen, wo der Faden gesponnen wurde – es ist das die zirkuläre Form des Sprechens und verlangt äußerste Konzentration und die Fähigkeit, das Gespräch zu beherrschen und nicht umgekehrt, dass einen eine Art – entschuldige – Sprechdurchfall überkommt. Ähnlich verhält es sich mit der Anwendung von Humor. Er zeugt von Beweglichkeit, das ja, von einer hohen Form von Intelligenz, aber er sollte nicht dazu dienen, Situationen ständig zu entwischen. Denk ihn dir eher als eine Form der Selbstregulation: Du bist in einer heiklen und sehr schwierigen Situation, in einem für dich äußerst bedrohlichen Konflikt. Was bewirkt ein Witz? Er entschärft, er stärkt dich – nach der obigen These und er macht einem selbst deutlich, dass es mehrere Ebenen überhaupt gibt, dass der Wechsel der Perspektive möglich ist und gerade er es ist, der die Entwicklung herbeiführt.
Warum?
Weil jede Situation überdeterminiert ist. So es dir gelingt, die Bedeutungsebene zu wechseln, wendet sich mit großer Wahrscheinlichkeit die Situation – Leonidas, König der Griechen! Xerxes droht, er redet von der Stärke seiner Truppen! Leonidas aber nimmt sich aus dem Gesagten etwas ganz anderes heraus, er antwortet auf der bildhaften Ebene – und es mag noch viele mehr geben. Je nachdem, wie – man könnte sagen: wie fantasievoll du bist, wie viele verschiedene Bedeutungsebenen dir kraft deiner Intelligenz zur Verfügung stehen, wird deine Wahlmöglichkeit umso größer – und damit das schöne und überraschende Spielfeld des Humors.
Eins noch, sagte David.
Bitte.
Angenommen, sagte David. Er überlegte kurz, wie sollte er all das zusammenfassen – all das: Simon, Frederik und er, das Tante, die Proben und die Texte, die Filme und Katharina, den Autofahrer in
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