Schwätzen und Schlachten
auch ein professioneller Detektiv nicht immer vom Glück verfolgt ist. Man sitzt in diesem Job viel herum, Ganoven gehen einem ganz knapp durch die Lappen, benutzen den Hintereingang oder schießen sich den Weg frei, mitunter ist man verkatert oder schöne Frauen verdrehen einem den Kopf und ab und an kriegt man eins auf die Fresse. Es ist das harte Los der harten Jungs. Es gibt also für uns noch keinen Grund, alle Hoffnung fahren zu lassen. Und dennoch, die, wie soll ich sagen, Willkür und Wahllosigkeit meiner beiden Helden ist natürlich ein Debakel und ich schwöre, wäre ich live mit dabei gewesen, ich hätte mir vor Verzweiflung in den Hintern gebissen. Da ging was ab, da gabs ungeklärte troubles in town und die zwei Waschlappen gingen schön Suppe essen. Glauben Sie mir, es ist schwierig, sich in solchen Zeiten nicht einzumischen und die Geschichte ein bisschen zurechtzubiegen. Aber keine Sorge! Jedes Wort stimmt, alles ist haargenau so passiert, mir käme sonst sofort die Moral. Wir werden also gemeinsam tapfer diese trüben Fahrwasser hinter uns bringen und auf besseres Wetter hoffen. Ob es kommt? Sicher! Das Gute an schlechtem Wetter ist bekanntlich, dass es nur besser werden kann, also: nur Mut!
Das gilt im Übrigen auch für meinen Lektor. Nur Mut, Olaf!
Frau von Sydow schimpfte ein bisschen mit ihnen, sie fand im Allgemeinen, sie seien zu wenig brav.
Stanjic löffelte seine Suppe und hörte sich alles an. Er hörte sich noch alles brav an, er hatte heute einen geduldigen oder einen regressiven Tag, er war zu faul, um sich das zu beantworten. Er dachte: zu faul, aber wir gehen ihm nicht auf den Leim, zu feig natürlich und in Bezug auf den geduldigen oder eben regressiven Tag spricht das dann eher für Zweiteres.
Er sagte darum nicht, lass stecken, Mimi. Er war zu müde für den Mut dazu und für das damit einhergehende schlechte Gewissen, er war heute zu müde für Erwachsenwerden. Dann lieber ein bisschen so weitermachen, wie er das jahrzehntelang betrieben hatte und, mein Gott, groß geworden war er auch, also: sich alles brav anhören, aufs Maul sitzen.
Er hörte sich noch alles brav an und saß auf dem Maul, als Sydow schon den leeren Teller von sich schob, sich die Zeitung herüberholte und nachschaute, ob zwischen den Deutschen und den Franzosen alles in Butter sei.
Die hiesige Polizei, hieß es da in einem Artikel, hat am Mittwochnachmittag in der Ostseestraße einen 45-jährigen französischen Versicherungsvertreter und guten Freund der Deutschen gestoppt, weil an dessen BMW die Windschutzscheibe stark gesprungen war. Der vierfache Familienvater hatte keinen Führerschein, die Kennzeichen waren gefälscht, das Auto war nicht zugelassen. Die Handbremse funktionierte nicht, die Stoßdämpfer waren defekt, die Batterie war locker. Zudem stand der Fahrer unter Drogeneinfluss und war obendrein gar kein Franzose.
Und, murmelte Sydow, während er nach weiteren erschütternden Nachrichten Ausschau hielt, die Kinder waren nicht von ihm. Alles falsch gemacht, Kumpel, aber hallo.
Die Boa Constrictor , las er angelegentlich unter der Rubrik Lost and Found, die Boa Constrictor , die in Aix-en-Provence ein siebenjähriges Mädchen beim Anheben des Deckels auf der Toilette erschreckte, wurde Augenzeugen zufolge nun auch in Berlin gesichtet. Wie zwei Wochen zuvor schon in der historischen Hauptstadt der Provence ließ das Tier sich fotografieren und verschwand dann wieder im Abflussrohr. Um Hinweise wird gebeten.
Und hier noch in eigener Sache: Das Tourismusbüro von Aix möchte hinzufügen, dass ein Besuch in Aix nicht vorstellbar ist ohne einen Bummel über den Cours Mirabeau. Diese geschichtsträchtige Flanierstraße ist immer noch einer der beliebtesten Punkte der Stadt.
Daneben sah man auf der einen Fotografie eine Würgeschlange in der Toilette sitzen, sie machte einen unzufriedenen Mund und schaute direkt in die Kamera, sie war das so gewohnt. Auf der anderen Fotografie sah man einen Brunnen und Häuser in goldenem Abendlicht, aller Wahrscheinlichkeit nach der Cours Mirabeau.
Himmel hilf, dachte Sydow schaudernd, wenn von den Franzosen noch mehr solche Extravaganzen zu uns herüberschwappen, ist es bald aus mit der Freundschaft, noch so ein windiger Versicherungsvertreter und ein weiterer Porträttermin von der Boa und unsere Kanzlerin sorgt dafür, dass die Franzosen aus der EU fliegen. Zudem streicht sie ihnen dann das Ressort Deutsch-Französische Freundschaft, das
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