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Schwanengesang – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition)

Schwanengesang – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition)

Titel: Schwanengesang – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edmund Crispin
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tönte Fen, »wird es noch einen zweiten Mord geben!« Mudge bekam ein Bier. Er hatte eine Büßermiene aufgesetzt und warf dem Polizeichef dermaßen verängstigte Blicke zu, dass Fen sich genötigt sah, ihm aufmunternd auf den Rücken zu klopfen.
    Es folgte eine Diskussion, die sie aber nicht wirklich weiterbrachte. Das Skelett hatte man in der Requisitenkammer des Opernhauses entdeckt, wo es normalerweise auch hingehörte; doch hatte niemand, schon gar nicht Furbelow, eine Erklärung für die Beschädigung des Genicks. »Es gab da eine auffällige Stelle im gerichtsmedizinischen Bericht«, sagte Mudge, »nämlich die, dass die Dislokation das Ergebnis einer heftigen Gewaltanwendung gewesen sein muss; fast so, als sei jemand hochgesprungen und habe sich an ihm festgeklammert, um ihn nach unten ziehen.«
    Augenblicklich trat Schweigen ein. Dann sagte Elizabeth mit leiser Stimme: »Wie schrecklich.«
    »Ganz sicher gibt es keine Oper, in der ein Skelett auftritt«, sagte Fen.
    »Oh doch.« Adam nickte. »In Charles Shorthouses Oper nach Kaisers Von Morgen bis Mitternacht kommt eins vor. Übrigens gehe ich davon aus, dass Charles Edwins Vermögen erben wird.«
    »Hat er denn nicht genug Geld?«
    »Das hatte er, aber ich glaube, dass er einen Großteil seines Kapitals in seine eigenen Opern gesteckt hat. Sie können sich natürlich denken, dass man mit dem Komponieren von Opern unmöglich seinen Lebensunterhalt bestreiten kann – schon gar nicht in England«, fachsimpelte Adam. »Edwin muss einige Tausend angespart haben; und da er nicht verheiratet ist, denke ich, dass die an Charles und damit in die Aufführung der Orestiade fließen werden.«
    »Die Orestiade ?«
    »Das ist eine gewaltige Tetralogie, die er gerade erst fertig gestellt hat. Cadogan hat das Libretto geschrieben. Angeblich muss das Opernhaus, in dem sie aufgeführt werden kann, erst noch gebaut werden – ein zweites Bayreuth sozusagen.«
    »Dann ist Charles Shorthouse ein Verdächtiger«, sagte Fen mit einer gewissen Befriedigung in der Stimme. »Da hinten geht schon wieder C. S. Lewis.«
    »Abgesehen davon, dass er in Amersham lebt«, warf Sir Richard dazwischen.
    »Es gibt Verkehrsmittel. Natürlich müssen wir herausbekommen, was er letzte Nacht getan hat. Vielleicht hat er ein Alibi.«
    Mittlerweile leerte sich die kleine Bar wieder, weil die Gäste zum Mittagessen gingen. Bei jedem Öffnen der Tür bliesen kalte Windstöße herein, und sie konnten einen kurzen Blick auf die graue Steinfassade von St. John’s und den hellgrauen Himmel darüber erheischen, auf die hohen, kahlen Bäumen davor, in denen sich ein Hauch von Weiß verfangen hatte, und auf eine der roboterähnlichen Straßenlaternen, die in der Mitte der St. Giles’ hängen. Es war so dunkel, als breche bereits der Abend an. In den Speisesälen der Colleges wurden gerade geschmacklose Suppen oder dunkle, aufgeblähte Würstchen, die einen an reiche Bonzen in sozialistischen Karikaturen erinnern, auf die Tische gestellt. Fens Gedanken kreisten ums Essen.
    »Meine Gedanken«, ließ er die anderen wissen, »kreisen ums Essen.«
    »Und meine Füße«, sagte Elizabeth ernst, »werden zu Eis … Adam, mein Liebling, du bist dir doch im Klaren darüber, dass du mich vollkommen vom Feuer abschirmst?«
    Zwei Neuankömmlinge betraten die Bar. Adam, der gerade eine komplizierte Bewegung ausführte, die Fen Protestgeheul entlockte, grüßte die beiden flüchtig und geistesabwesend. Zaghaft kamen sie näher.
    »Kommen Sie und setzen Sie sich zu uns ans Feuer«, sagte Sir Richard liebenswürdig.
    Der junge Mann lächelte, so als wolle er sich ohne Worte für ihre Aufdringlichkeit entschuldigen. Auf eine gewisse Weise war er, dunkel und von fremdartigem Aussehen, attraktiv, dazu sehr drahtig, und mit aufmerksamem, hellwachem Blick. Jedoch war sein Gesicht von einer Art Hautkrankheit entstellt, und er wirkte alles andere als gesund. Er wurde von Judith Haynes begleitet. Obwohl sie noch sehr jung war, hatte sie etwas äußerst Reserviertes und Misstrauisches an sich. Offensichtlich war sie sehr bemüht, weltgewandt zu wirken. Unter einem schweren, braunen Mantel trug sie weite Hosen und einen Pullover, was die Schlankheit, ja geradezu Zerbrechlichkeit ihrer Figur betonte. Auf ihrem hellen Haar glitzerten einige Flocken halb geschmolzenen Schnees. Sie stand ein Stückchen hinter dem jungen Mann und beobachtete ihn mit einer Spur von Ängstlichkeit in ihrem Blick. Es war unschwer zu erkennen, dass sie

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