Schwanengesang – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition)
sehr verliebt in ihn war.
»Darf ich vorstellen«, sagte Adam, dem plötzlich seine Pflichten wieder eingefallen waren. »Mr. …?«
»Stapleton«, sagte der junge Mann. »Boris Stapleton. Und dies ist Judith Haynes.«
»Meine Frau«, gab Adam zurück. »Professor Fen, Sir Richard Freeman, Inspektor Mudge.« Es klang, als verlese er die Namen von Übeltätern.
Höfliches Begrüßungsgemurmel erhob sich. Mit der Würde eines Hohepriesters ordnete Fen den Kreis ums Feuer neu und bestellte eine weitere Runde Drinks. Einen Moment lang fiel niemandem etwas zu sagen ein. Außerdem wurde deutlich, dass Mudge die mögliche Relevanz, die Stapleton bei der ganzen Angelegenheit zukam, völlig entgangen war. Hastig und verstohlen kippte er sein Bier hinunter. Ganz offensichtlich war er der Ansicht, es sei Zeit für ihn zu gehen. Adam bemerkte das.
»Miss Haynes und Mr. Stapleton« – diese Worte sprach er mit besonderem Nachdruck – »treten beide in den Meistersingern auf.«
Augenblicklich wirkte Mudge besänftigt. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch unwillkürlich kam Stapleton ihm zuvor.
»Was wird nun passieren, Sir?«, wollte er von Adam wissen. »Wird die Premiere verschoben?«
»Ich denke schon«, nickte Adam. »Allerdings habe ich Peacock heute Morgen nicht gesehen. Ich habe aber von Joan gehört, dass Levi telefonisch benachrichtigt wurde und beinahe einen Schlaganfall erlitten hat.«
»Es ist schon merkwürdig.« Stapletons Bemerkung schien keine hohle Phrase, sondern Ausdruck aufrichtiger Bestürzung zu sein. »Um so mehr, als ich Mr. Shorthouse gestern Abend noch gesprochen habe.«
Die Erwähnung von Shorthouses Namen erweckte Mudge zu neuem Leben. Er klinkte sich so vorsichtig ins Gespräch ein wie ein Torero, der es mit einem besonders unberechenbaren Bullen zu tun hat.
»Wie ich hörte, Mr. Stapleton«, fragte er, »waren Sie der letzte, der Mr. Shorthouse lebend gesehen hat?«
Für den Bruchteil einer Sekunde zögerte Stapleton. »War ich das? Ich habe die Einzelheiten leider nicht erfahren. Jedenfalls war ich gestern Abend noch bei ihm.«
»Ach, wirklich? Darf ich fragen, warum Sie ihn aufgesucht haben, Sir?«
»Es ging um meine Oper. Er hatte sich bereit erklärt, einen Blick auf die Partitur zu werfen. Ich ging zu ihm, um ihn zu fragen, was er davon hielte.«
»Ungewöhnlich späte Uhrzeit, Sir, um über so etwas zu diskutieren, oder?«
»Es war seine Idee«, sagte Stapleton hilflos. »Ich war wohl kaum in der Lage, ihm zu widersprechen.«
»Aha«, sagte Mudge. »Aber Sie sind doch auch der Meinung, dass er einen ziemlich merkwürdigen Zeitpunkt gewählt hatte?«
»Oh ja, das bin ich.« Stapleton wirkte betreten. »Aber so war es nun einmal.«
Mudge grunzte unfreundlich und fragte dann:
»Haben Sie irgendeine Ahnung, Sir, was Mr. Shorthouse zu diesem späten Zeitpunkt noch im Opernhaus machte?«
»Nun ja, als ich hinkam«, erwiderte Stapleton ehrlich, »tat er eigentlich gar nichts, außer Gin zu trinken.«
»Ich meine, kam es Ihnen nicht seltsam vor, dass er Sie darum bat, die Angelegenheit dort zu besprechen und nicht da, wo er – nun ja, da, wo er wohnte?«
»Ja, so war es.« Stapletons anstandslose Hinnahme all dieser Merkwürdigkeiten hatte etwas leicht Befremdliches. »Aber ich sagte mir, dass er wohl einen bestimmten Grund dafür haben müsse, sich um die Zeit noch im Opernhaus aufzuhalten.«
»Ich verstehe.« Resigniert überdachte Mudge dieses trostlose Thema und wandte sich dann etwas anderem zu. »Wie ich von Mr. Furbelow erfahren habe, hielten Sie sich nur wenige Minuten bei Shorthouse auf.«
»Ja.« Stapletons Antworten waren von der entmutigenden Sorte, die die ganze Last des Verhörs dem Fragenden aufbürden. Trotzdem war sein Verhalten nicht zu beanstanden.
»Dann … dann« – Mudge blickte verwirrt in die Runde und versuchte, sich an das zu erinnern, was er hatte sagen wollen – »dann hielt sich zu dem Zeitpunkt, als Sie dort waren, niemand sonst in Mr. Stapletons Garderobe auf?«
»Niemand.«
»Und Sie unterhielten sich über …«
»Über meine Oper. Er drückte sich undeutlich und herablassend aus – Lob, mit Tadel untermischt. Tatsächlich hatte ich den Eindruck, dass er nicht einmal einen Blick darauf geworfen hatte. Er hat mir die Partitur übrigens nicht zurückgegeben – ich nehme an, dass sie immer noch in seiner Wohnung liegt.«
»Nachdem Sie ihn verlassen haben, sind Sie direkt nach Haus gegangen?«
»Ja.«
»Wo sind Sie
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