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Schwanengesang – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition)

Schwanengesang – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition)

Titel: Schwanengesang – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edmund Crispin
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zwischen Teestunde und Abendessen«, sagte Fen. »Wir sehen uns dann.«
    Erst als sie schon längst auf dem Weg waren, wurde Adam klar, wie dieses »mit etwas Glück« gemeint war. Sie würden eine ganze Menge Glück brauchen, dachte er bei sich, voll Todesangst in den Beifahrersitz gekauert, um überhaupt zurückzukommen. Man braucht eine Weile, um festzustellen, dass jemand kein besonders guter Autofahrer ist, und angesichts einer längeren Autofahrt fällt es besonders schwer, diese Tatsache zu akzeptieren. Adam war erst in dem Moment wirklich alarmiert, als Fen mit der Geschwindigkeit eines nächtlichen Wanderers, der sich von Gespenstern gejagt sieht, in die High Street einbog.
    »Pass auf!«, rief er. »Pass auf, sonst erwischt es uns!«
    »Ist schon in Ordnung«, sagte Fen und riss das Lenkrad in einem blitzschnellen Manöver herum, um zwischen zwei Bussen hindurchzuschießen. Adam lief es kalt den Rücken herunter. »Ich gehe nie ein Risiko ein.« Mit einer Handbreit Abstand zu beiden Seiten fegte er zwischen einem Handwagen und einem Laster hindurch. »Ich bin einfach der Meinung, dass es die Sache nicht wert ist.«
    Adam sagte nichts – in der Tat gab es nichts zu sagen –, sondern saß so stocksteif da, als sei er zur Salzsäule erstarrt. Das Auto raste in Richtung Headington weiter. Es handelte sich um einen kleinen, roten, zerbeulten und ausgesprochen lauten Sportwagen. Auf dem Kühler thronte eine nackte weibliche Gestalt aus Chrom, die zu frieren schien, und auf der Motorhaube prangte in großen weißen Lettern der Schriftzug LILY CHRISTINE III.
    »Ich habe sie«, erzählte Fen, während er beide Hände vom Steuer nahm, um nach einer Zigarette zu suchen, »einem Studenten abgekauft, der exmatrikuliert wurde. Aber während des Krieges hatte ich sie natürlich eingemottet, und ich fürchte, das hat ihr nicht gerade gut getan.« Mit düsterer Miene schüttelte er den Kopf. »Immer wieder fallen Teile aus dem Motor«, erklärte er.
    Adam verbrachte die Dreiviertelstunde, die sie bis nach High Wycombe brauchten, damit, die moralischen Verfehlungen seines bisherigen Lebens bis ins kleinste Detail zu bereuen. Als sie die Hauptstraße verließen und den Hügel nach Amersham hinauffuhren, hatte Adam so weit resigniert, dass er wieder zu einem Gespräch in der Lage war.
    »Sag mal«, fragte Fen, »ist Charles Shorthouse verheiratet?«
    »Nein«, antwortete Adam. »Er lebt angeblich in dem, was man Sünde nennt« – in diesem Moment erweckte Fens Bemühung, eine besonders scharfe Kurve zu nehmen, in ihm erneut die Furcht vor ewigen Höllenqualen – »ich wollte sagen, angeblich lebt er mit einer Frau namens Beatrix Thorn in Sünde . Sie ist keine Schönheit«, fügte Adam ganz uncharmant hinzu. »Sie ist wahrlich keine Schönheit. Aber Komponisten scheinen sich immer die abstoßendsten Frauen einzuhandeln. Ich habe das noch nie verstanden. Sieh dir Prinzessin Wittgenstein an. Sieh dir Mademoiselle Recio an. Sieh dir Cosima an. Sieh dir …«
    »Schon gut«, sagte Fen. »Ich schließe mich der Einschätzung an.« Er schaltete mit einem Geräusch, das an das Schmerzgeheul eines Drachen denken ließ. »Dann leben in dem Haushalt nur die beiden?«
    »Es gibt da noch einen Privatsekretär. Ich habe seinen Namen vergessen. Er fertigt die Klavierauszüge der Opern an. Und dann ist da noch eine Art Gefolge.« Adam runzelte die Stirn, während er bemüht war, diese etwas schwammige Kategorie näher zu definieren. »Ausgehaltene Kritiker. Bewunderer. Schmarotzer.«
    »Wie würdest du Shorthouses Rang als Komponist einschätzen?«
    »Ziemlich hoch«, gab Adam zögerlich zu. »Jedenfalls auf einer Stufe mit Walton und Vaughan Williams. Ob das gerechtfertigt ist, steht auf einem anderen Blatt; meiner Meinung nach nicht. Er ist das, was ein Salieri im Vergleich zu Mozart war, oder ein Meyerbeer im Vergleich zu Wagner.«
    »Und er konnte Edwin nicht ausstehen?«
    »Überhaupt nicht. Obwohl es dafür, soviel ich weiß, keinen bestimmten Grund gab. Reine persönliche Antipathie. Jedenfalls haben sie sich nur selten gesehen.«
    Die Straße wurde breiter. Zu ihrer Rechten flog eine Sandgrube vorbei, dunkelocker unter dem grauen Himmel. Sie fuhren durch ein nasskaltes, höhlenartiges Buchenwäldchen, dessen Boden mit verrottendem Laub bedeckt war. Durch Büsche aus Dornengestrüpp und welkem Farndickicht konnten sie kurze Blicke auf tiefe, überwucherte Gruben erhaschen. An einem verlassenen, baufälligen Cottage mit blinden

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