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Schwanengesang (German Edition)

Schwanengesang (German Edition)

Titel: Schwanengesang (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Hoppert
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abgestellt hatte, sah er Marc erwartungsvoll an. »Also, um was geht es? Du warst am Telefon so komisch.«
    Marc ließ den Blick noch einmal durch das Konsulat schweifen. Aber der Raum war so mit Gläserklirren, Gelächter und Gesprächen erfüllt, dass ihnen unmöglich jemand zuhören konnte.
    Also erzählte er Gabriel alles, beginnend bei dem ersten Gespräch mit Heinen bis zu seinem Treffen mit Johanna Reichert am heutigen Vormittag. Als er fertig war, wartete er gespannt auf eine Reaktion, aber Gabriel starrte ihn einfach nur an.
    »Was ist los?«, fragte Marc ungeduldig. »Hat es dir die Sprache verschlagen?«
    »Wow, das ist schon harter Tobak.« Gabriel richtete den Blick zur Decke, als sei ihm gerade etwas eingefallen.
    »Weißt du, woran mich das erinnert?«, fragte er dann. »An Mickey Trotter, Lucys Freund! Er hat einen Autounfall mit der betrunkenen Sue Ellen und ist anschließend vollständig gelähmt. Er verliert den Lebensmut und will sterben. Ray Krebbs stellt schließlich das Beatmungsgerät ab und erfüllt Mickeys Wunsch.«
    »Kannst du nicht ein Mal ernst bleiben?«
    »Ich bin vollkommen ernst. Im Gegensatz zu dir! Weißt du nicht mehr, wie es ausgegangen ist? Ray wird verhaftet und wegen Mordes angeklagt. Er bekommt fünf Jahre auf Bewährung wegen Totschlags und hat wegen dieser Tat noch Jahre später Schwierigkeiten, als er und Donna ein Kind adoptieren wollen.«
    »Wie du sehr wohl weißt, ist eine Beihilfe zur Selbsttötung in diesem Land nicht strafbar.«
    »Das ändert nichts an den Tatsachen!«
    »Soll das heißen, du rätst mir ab?«
    »Das soll heißen, dass du nicht alle Tassen im Schrank haben kannst, wenn du ernsthaft darüber nachdenkst, einem Menschen bei seinem Selbstmord zu helfen.«
    »Selbst mord gibt es nicht. Es …«
    Gabriel hob die Hand, um Marc zu stoppen. »Geschenkt! Scheißegal, wie du es nennst. Es läuft immer auf dasselbe hinaus: Ein Mensch ist tot.«
    »Ja, aber ein Mensch, der sterben will. Ich finde, jeder Mensch, der bei klarem Verstand ist, sollte das Recht haben, selbstverantwortlich und frei zu entscheiden, ob er weiterleben will oder nicht.«
    »Und woher willst du wissen, dass diese Frau bei klarem Verstand ist? Vielleicht leidet sie unter Depressionen, einer bipolaren Störung oder Schizophrenie. Übrigens alles Krankheiten, die man behandeln kann, sei es durch Medikamente oder durch eine Psychotherapie.«
    »Sie ist nicht psychisch krank.«
    »Ach, bist du jetzt auch noch Psychiater?«
    »Nein, aber ich habe mich ausführlich mit ihr unterhalten. Sie ist vollkommen klar im Kopf.«
    »Trotzdem ist sie psychisch krank.«
    »Und woraus schließt du das?«
    »Aus der Tatsache, dass sie sich umbringen will. Ein gesunder Mensch würde das nicht tun.«
    Marc musste schmunzeln. »Das nennt man dann wohl einen klassischen Zirkelschluss, oder? Außerdem geht es gar nicht um die Frage, ob sie psychisch krank ist, sondern ob sie zurechnungsfähig ist. Auch ein zurechnungsfähiger psychisch Kranker muss das Recht haben zu entscheiden, ob er leben oder sterben will.«
    »Das sieht der Gesetzgeber ganz anders. In diesem Land musst du nach dem PsychKG damit rechnen, wegen erheblicher Selbstgefährdung in eine psychiatrische Klinik zwangseingewiesen und zwangsmediziniert zu werden, wenn du einen Selbstmord ankündigst. Ich habe als Anwalt schon einige Fälle nach dem Psychisch-Kranken-Gesetz gehabt. Und dazu kann ich dir auch eine Geschichte erzählen: Eine meiner Mandantinnen hatte schwere Depressionen und deswegen auch schon mehrere Selbstmordversuche unternommen. Bis ihr endlich medizinisch geholfen wurde und sie in ein normales Leben zurückkehren konnte. Sie hat mir vor Kurzem noch geschrieben. Da konnte sie ihre früheren Entschlüsse überhaupt nicht mehr verstehen und war froh, dass ihre Versuche gescheitert sind.«
    »Das mag ja in manchen Fällen so sein. Aber die Frau, mit der ich gesprochen habe, wird mit Sicherheit nie mehr in ein normales Leben zurückkehren. Sie ist irreversibel krank und leidet zudem unter unerträglichen Schmerzen. Es geht mir ausschließlich darum, unnötiges Leiden am Ende einer schweren Krankheit, die unweigerlich zum Tod führt, zu beenden. Wenn es um einen Hund oder eine Katze ginge, würde jeder verantwortungsbewusste Tierhalter sie einschläfern lassen und man würde vom ›Gnadentod‹ oder einer ›Erlösung‹ sprechen.«
    »Sie ist aber nun mal ein Mensch und kein Tier!«
    »Eben! Wieso soll es ein Tier besser haben als ein

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