Schwanengesang (German Edition)
Nebenwirkungen haben. Naturheilverfahren wie das unsere werden von der Pharmadiktatur aus Profitgier verleumdet.«
»Und was haben die Ärzte davon?«, erkundigte sich Marc.
»Die werden fast alle von der Pharmaindustrie bestochen. Oder was glauben Sie, wer die ganzen sogenannten Ärztekongresse in St. Moritz und auf Mallorca finanziert? Oder warum so viele Ärzte als angebliche Berater oder bezahlte Redner auf der Gehaltsliste der Pharmariesen stehen? Genauso ist es mit den Medien und den Politikern, die von der Pharmalobby mit Inseraten bzw. ›Wahlkampfspenden‹ geschmiert werden. Wes Brot ich ess, des Lied ich sing lautet ein Sprichwort, und das trifft es exakt.«
»Haben deshalb die Pathologen bei der Obduktion von Frau Reichert eine falsche Diagnose gestellt?«
»Das ist der eine Grund. Sie wollten unsere Arbeit diskreditieren. Der andere Grund ist, dass sie die Fehler ihrer Kollegen decken wollten. Da hackt die eine Krähe der anderen kein Auge aus. Sagt Ihnen der Name Jennifer Scarpetta etwas?«
Marc tat so, als müsse er nachdenken, dann nickte er.
»Da haben die Herren Rechtsmediziner behauptet, Jennifer sei an einem Krebstumor gestorben«, fuhr Nolte fort. »Dabei ist sie durch die Fehler der Schulmediziner ums Leben gekommen.«
»Soweit ich weiß, sieht der Vater des Kindes das anders.«
Nolte schnaubte empört. »Ja, der arme Mann ist gegen uns aufgehetzt worden. Nach Jennifers Tod ist er fast jeden Tag hier aufgelaufen und hat rumgepöbelt. Hat sogar Morddrohungen gegen Heinen, mich und unsere Mitarbeiter ausgestoßen. Schließlich hat er ein Zelt auf unserem Parkplatz aufgeschlagen und zwei Wochen hier campiert. Ein gefundenes Fressen für die Medien. WDR, RTL, ZDF, Sat 1, alle standen mit ihren Übertragungswagen hier und haben ihn interviewt. Dazu die ganzen Zeitungsreporter. Das war eine schwere Zeit für uns, glauben Sie mir. Aber jetzt können wir endlich wieder in Ruhe arbeiten.«
»Ich habe mit dem Vater gesprochen«, berichtete Marc. »Er ist fix und fertig.«
Nolte nickte mitfühlend. »Der Mann tut mir auch leid. Aber er ist von den Ärzten belogen und betrogen worden. Und genauso werden auch Sie jetzt belogen. Ich habe davon gehört, dass Sie beschuldigt werden, Frau Reichert ermordet zu haben. Das ist natürlich völliger Humbug. Frau Reichert hatte Krebs, das steht zweifelsfrei fest. Ich bin gerne bereit, das vor jedem Gericht zu bezeugen.«
»Danke, vielleicht werde ich eines Tages auf Ihr Angebot zurückkommen müssen. Haben Sie eine Ahnung, wo Dr. Heinen sich zurzeit aufhält?«
Nolte schüttelte betrübt den Kopf. »Wir haben seit über zwei Wochen keinen Kontakt mehr zu ihm und sind in heller Aufregung. Ich habe natürlich alles versucht, Gerd zu erreichen, aber vergebens. Er ist und bleibt spurlos verschwunden.«
»Was könnte der Grund dafür sein?«
Nolte hob die Hände zu einer unbestimmten Geste. »Ich weiß natürlich nichts Genaues«, sagte er kryptisch und lehnte sich zurück. »Tatsache ist aber, dass Gerds Verschwinden gewissen Herrschaften sehr zupassekommt.«
»Sie meinen der Pharmaindustrie?«
»Das haben Sie gesagt. Ich kann selbstverständlich nichts beweisen. Aber bei diesen Damen und Herren würde mich gar nichts mehr wundern.«
»Könnte sein Verschwinden andere Ursachen haben? Vielleicht im privaten Bereich?«
Nolte hob die Schultern. »Über Gerds Privatleben weiß ich praktisch nichts. Wir sind auch nicht befreundet. Außerhalb unseres Unternehmens gehen wir stets getrennte Wege. Nicht, dass Sie mich falsch verstehen: Wir mögen und respektieren uns, aber es handelt sich um eine rein geschäftliche Partnerschaft.«
»Wie haben Sie sich eigentlich kennengelernt?«
»Das erste Mal sind wir uns auf einem Ärztekongress über den Weg gelaufen. Ich kann sagen, dass wir uns von Anfang an sympathisch waren. Damals verfolgten wir beide einen ganzheitlichen Ansatz und wollten mit der Schulmedizin nichts mehr zu tun haben. Irgendwann hat Gerd mich dann gefragt, ob ich mir eine Zusammenarbeit mit ihm vorstellen könne. Er wollte ein neuartiges Heilmittel auf den Markt bringen. Ich bin als Arzt bei Weitem nicht so begnadet wie Gerd, aber er wusste, dass ich die Möglichkeit hatte, genug Startkapital für unser Unternehmen zu besorgen. Außerdem habe ich vor dem Medizinstudium eine kaufmännische Ausbildung absolviert und auch einige Jahre BWL studiert. Somit waren die Aufgabenbereiche festgelegt: Ich habe mich fast ausschließlich um den kaufmännischen
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