Schwanengesang (German Edition)
wissen.
Nach zwei Stunden sinnloser Rumsitzerei war es dunkel geworden. Im Haus hatte sich nichts getan, außer dass jetzt zwei Fenster beleuchtet waren.
Marc, der nur eine leichte Jacke trug, fror inzwischen wie ein Schneider.
»Schwachsinn!«, sagte er zu sich selbst. »Du kannst noch die ganze Nacht hier sitzen, es wird nicht das Geringste ändern.«
Er wollte gerade den Motor anlassen, als er sah, dass sich die Tür von Beas Haus öffnete. Melanie kam heraus und ging auf ihren Wagen zu. Marc sah auf die Uhr. Viertel nach acht. Normalerweise hatte Melanie an einem Montagabend nichts vor. Aber was war in letzter Zeit schon normal?
Melanie stieg in ihren Suzuki, die Scheinwerfer flammten auf und der Wagen rollte langsam davon. Marc war hin- und hergerissen, was er tun sollte. Irgendetwas in ihm drängte ihn, ihr zu folgen, andererseits sagte ihm sein Verstand, er solle besser nach Hause fahren, wenn er ihre Beziehung nicht endgültig zerstören wollte.
Noch während er mit sich rang, bemerkte er im Rückspiegel etwas Merkwürdiges. Melanie hatte sich etwa einhundert Meter entfernt und bog gerade um die erste Kurve, als ein unauffälliger dunkelblauer VW Passat aus einer Parklücke drei Autos hinter Marc ausscherte und Melanie folgte. Die ersten Meter fuhr der Passat ohne Licht, erst dann leuchteten auch seine Scheinwerfer auf. Als der Wagen Marc passierte, konnte er erkennen, dass zwei Männer auf den Vordersitzen saßen.
Ein Wust von Gedanken brandete durch Marcs Kopf. Wurde Melanie ebenfalls überwacht? Und wenn ja, von wem? Sein erster Verdacht fiel auf die Polizei, aber was konnte die für ein Interesse an Melanie haben? Oder fuhr der Passat nur zufällig zur gleichen Zeit in die gleiche Richtung wie sie?
Marc startete den Motor und schloss zu dem VW auf. Schon nach wenigen Minuten war die Sache klar: Die Männer in dem Passat folgten Melanie. Marc musste wider Willen lächeln. Wenn er mit seiner Vermutung recht hatte und auch er gerade überwacht wurde, bewegte sich jetzt ein mittlerer Autokorso durch die abendlichen Bielefelder Straßen. Marc warf einen Blick in den Rückspiegel, aber dort war alles schwarz.
Die Fahrt endete zwanzig Minuten später vor einem kleinen, versteckt liegenden Landhotel außerhalb Bielefelds. Was konnte Melanie hier wollen? Marc beobachtete, wie sie das Hotel durch eine Drehtür betrat. Der Passat parkte in einem Abstand von etwa dreißig Metern zum Haupteingang, aber niemand verließ den Wagen. Marc stellte seinen Golf in der hintersten und dunkelsten Ecke des Parkplatzes ab und betrat die Hotellobby. Zuerst warf er einen vorsichtigen Blick in die kleine Bar und das angrenzende Restaurant, aber von Melanie war nichts zu sehen. Dann steuerte er auf die Rezeption zu. Hinter dem Tresen stand ein gelangweilt wirkender Portier, den Marc auf Ende dreißig schätzte.
»Schönen guten Abend«, sagte Marc und schenkte dem Mann sein sympathischstes Lächeln. »Ich suche eine Frau Anfang dreißig, lange dunkle Haare, etwa ein Meter siebzig groß, schlank, sehr attraktiv.«
Der Portier grinste. »Genau so eine Frau suche ich auch.«
Marc ließ sich nicht beirren. »Sie hat Ihr Hotel vor etwa fünf Minuten betreten. Sie müssten sie also gesehen haben.«
Der Rezeptionist hob bedauernd die Hände. »Tut mir leid, aber über Hotelgäste darf ich keine Auskunft geben.«
»Ich glaube nicht, dass die Frau in Ihrem Hotel wohnt. Ich vermute eher, sie besucht einen Gast. Können Sie mir sagen, in welches Zimmer sie gegangen ist?«
Der Mann betrachtete Marc mit einem leicht spöttischen Blick. »Das ändert nichts an meiner Antwort«, sagte er.
Marc rieb sich die Nase. »Ich muss die Frau unbedingt sprechen. Es ist wichtig.« Er griff in die Hintertasche seiner Hose, zog sein Portemonnaie heraus und entnahm ihm einen Zwanzigeuroschein, den er auf den Tresen legte.
Der Portier warf einen prüfenden Blick auf den Geldschein. »Aber offenbar doch nicht so wichtig«, meinte er.
Marc verstand. Er tauschte den Zwanziger schnell gegen einen Fünfziger. Gott sei Dank war er heute noch am Automaten gewesen.
Marc hatte den Schein gerade auf den Tresen gelegt, da war er auch schon in der Tasche des Mannes verschwunden.
»Sie ist im Zimmer achtundzwanzig, zweiter Stock«, gab er Auskunft.
»Wie heißt der Gast?«
Der Portier zog die Nase hoch. »Ist Ihnen das genauso wichtig?«, fragte er und ein weiterer Fünfziger wechselte den Besitzer.
»Wendt«, sagte der Portier dann. »Das Zimmer wurde
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