Schwanengesang (German Edition)
Bier.« Er bestellte sich ein Weizen, das er auf ex trank, bevor er sich Marc wieder zuwandte. »So, jetzt geht’s mir besser. Das hat Julia dir wirklich erzählt? Ich kann es einfach nicht glauben!«
»Dann stimmt es also nicht?«
»Nein, so stimmt es definitiv nicht. Erstens: Ich habe kein Geld veruntreut, nicht einen Cent. Und ich bin auch nicht gefeuert worden. Ich habe mit der Versicherung einen Auf hebungsvertrag abgeschlossen. Den kann ich dir gerne zeigen.«
»Und wie kam es dann zu diesen Gerüchten?«
»Da muss ich ein wenig ausholen. Bei der Fuldaer hat mir einiges schon lange nicht mehr gepasst. Anderen übrigens auch nicht, aber ich war der Einzige, der den Mund aufgemacht hat. Du kennst mich, Marc, irgendwann muss es raus, sonst platze ich. Ich habe mich über meinen direkten Vorgesetzten beschwert und das war der Anfang vom Ende. Von dem Tag an war ich unten durch und wurde nach allen Regeln der Kunst gemobbt. Als sie gemerkt haben, dass sie mich so nicht loswerden können, griffen sie zu drastischeren Mitteln.«
»Du meinst, sie haben dir eine Straftat angehängt?«
»Ich weiß, es hört sich komisch an, aber genauso ist es gewesen. Ich war vor Kurzem noch bei einem Arbeitsrechtsseminar mit dem Titel Wie Sie wirklich jeden Arbeitnehmer loswerden. Es gibt tatsächlich Anwälte, die sich auf so etwas spezialisiert haben. Wenn dir die Nase deines Arbeitnehmers nicht mehr passt, schmuggelst du einfach irgendwas in sein Auto und behauptest, er hätte es in der Firma geklaut. Das muss der Arbeitgeber nicht mal beweisen, der Verdacht reicht für eine Kündigung aus. Und schwups, bist du den Mann oder die Frau los.«
»Und bei dir war es genauso?«
»Ja. Aber ich habe mich gewehrt. Und zwar erfolgreich. Sonst hätten sie mir wohl kaum eine Abfindung gezahlt, oder?«
»Und was ist mit den Drogen?«
Gabriel seufzte schwer. »Gut, ich gebe es zu, da ist etwas dran. Aber auch die Geschichte muss ich von Anfang an erzählen. Julia hat es in gewisser Hinsicht auf den Punkt gebracht. Irgendwann habe ich mich gefragt, ob das wirklich alles war. Hast du dir diese Frage noch nie gestellt? Vielleicht habe ich zu früh geheiratet, vielleicht hätte ich mir noch länger die Hörner abstoßen sollen, ich weiß es nicht. Tatsache ist, dass ich irgendwie in dieser Clique gelandet bin. Alle waren jung, hatten Geld und sie haben jede Nacht die Puppen tanzen lassen. Das hat mich irgendwie fasziniert. Auf einmal fühlte ich mich auch wieder wie Mitte zwanzig.« Er hielt inne und grinste. »Na gut, wie Anfang dreißig. Es wurde viel Geld ausgegeben und ich dachte, ich müsste da irgendwie mithalten. Schließlich wollte ich auch mal einen ausgeben. So bin ich in die Miesen gerutscht. Eines Tages habe ich mitbekommen, dass in der Clique gekokst wurde. Aber dabei habe ich nie mitgemacht, das musst du mir glauben! Einer meiner ›Freunde‹ ist dann auf mich zugekommen und hat mich gebeten, für ein paar Tage sein Koks bei mir zu verstecken, weil er eine Hausdurchsuchung befürchtet hat. Ja, ich war so blöd, mich breitschlagen zu lassen und dieses Koks hat natürlich ausgerechnet Julia entdeckt. Ich habe mich anschließend sofort von meiner Clique verabschiedet. Zum einen wurde mir die Sache zu heiß, zum anderen habe ich eingesehen, dass es keine echten Freunde waren. Ich habe mit dieser Sache abgeschlossen, wirklich, und ganz bewusst einen räumlichen Schnitt vollzogen, indem ich nach Bielefeld zurückgegangen bin.«
»Und was ist mit den angeblichen Frauengeschichten?«
»Ha!« Gabriel brach in ein freudloses Gelächter aus. »Ich habe dir ja schon von Sandro Kern erzählt. Was Julia dir offenbar verschwiegen hat, ist, dass sie mich zuerst mit ihm betrogen hat. Gut, ich war zu der Zeit nachts oft unterwegs, aber mit anderen Frauen hatte ich zu dem Zeitpunkt noch nichts, das schwöre ich. Zumindest nicht, bis ich hinter die Sache mit diesem Kern gekommen bin. Aber ich gebe zu, dann habe ich mich revanchiert.«
»Ich finde es nur nicht gut, wenn die Kinder darunter leiden müssen.«
»Du hast recht, Marc. Dass ich mich nur so selten bei ihnen melde, ist wirklich erbärmlich. Aber meine Beziehung zu Julia ist auf einem absoluten Tiefpunkt angelangt. Ich habe mittlerweile schon Panik, in Stuttgart anzurufen. Ich weiß, das hört sich blöd an, aber jedes unserer Gespräche endet früher oder später in einem riesigen Streit.«
Marc holte tief Luft. Mittlerweile wusste er überhaupt nicht mehr, was er glauben sollte.
Weitere Kostenlose Bücher