Schwanengrab
verraten und Neela, ohne es zu ahnen.
»Aber warum?«, fragte ich.
Caro lachte schrill. »Am Anfang wollte ich dir nur ein bisschen auf den Zahn fühlen. Rauskriegen, wie ich dich dazu bringe zu verschwinden. Und als du angefangen hast, dich für Veronika zu interessieren, konnte ich dir alles Mögliche erzählen, ohne dass du dir die Antworten bei anderen gesucht hast.«
Sie war krank – völlig verrückt. Ich wollte weg, kroch noch ein Stück weiter nach hinten. Sie folgte mir, den Knüppel drohend erhoben. Ich sah mein Handy im feuchten Moos liegen. Das Display leuchtete nicht mehr.
»Hast du mich in die Kaisertherme gelockt und mir die SMS geschickt?«, fragte ich.
Sie grinste böse. Dann kam mir ein schrecklicher Verdacht. Und bevor ich ihn aussprach, wusste ich schon die Antwort. » Du hast mir geschrieben, dass Christoph Veronika noch immer liebt ... Die SMS vorhin? Ohne Nummer und Absender. Die war also gar nicht von ihm, das warst auch du?« Tränen rannen mir übers Gesicht.
»Ja, alles war von mir. Du bist so eine dumme Gans! Es war überhaupt nicht schwer, dir alles Mögliche auf dieNase zu binden. Ich wollte einfach, dass du wieder gehst. Abhaust. So wie Neela damals.«
»Dann steckst du also auch hinter den ganzen Intrigen und Gerüchten um Neela?«, fragte ich. »Wegen dir ist sie von der Schule geflogen!«
»Nach Veronikas Unfall hat sie mich und die anderen ständig mit ihren Fragen gelöchert. Ich wollte nicht, dass sie weiter in Sachen bohrt, die sie nichts angehen. Und du hast auch damit angefangen. Dauernd hast du dich mit irgendwelchen Leuten darüber unterhalten. Glaubst du, ich hätte das nicht gemerkt?«
»Du hast Herrn Kurz erzählt, dass Neela tablettensüchtig ist und dealt?«
»War nicht schwer! Ich bin zu ihrem Vater in die Praxis, kurz nach Veronikas Tod, und hab ihm erzählt, wie sehr mich diese ganze Geschichte mitnimmt. Wie sehr sie mir fehlt. Er war richtig gerührt. Dann hat er mir ein leichtes Beruhigungsmittel gegeben. Nur für die Nacht, damit ich schlafen konnte. Er hatte die Packungen im Tablettenschrank hinter sich gelagert und die Tür nicht sofort wieder abgesperrt. Ich habe ihn noch um die Adresse einer Jugendpsychologin gebeten. Er war sehr besorgt um mich und ist ins Nebenzimmer gegangen, um mir die Adresse rauszusuchen. Ich bin an seinen Schrank und habe mir einige Tablettenpackungen rausgeholt, von ganz hinten, damit es nicht auffiel. Alles härtere Sachen! Die habe ich Neela dann am nächsten Tag heimlich in ihre Tasche gesteckt. Bevor sie es selbst gemerkt hat, kam auch schon Herr Kurz. Er hatte am Morgenmehrere anonyme Hinweise erhalten, dass an unserer Schule mit Tabletten gehandelt wurde. Und da wurde er bei der armen Neela fündig. Mike war sehr stolz auf mich.«
Ich schauderte. »Und Geli? Ihr Unfall heute? Steckst du etwa auch dahinter?«
»Meinst du, ich habe nicht gemerkt, dass ihr euch in den letzten Tagen öfter unterhalten habt? Ich konnte Geli nicht mehr vertrauen. Sie war viel zu weich. Ich habe Mike gebeten, der Heulsuse eine kleine Warnung zu erteilen, damit sie den Mund hält. Hat ja auch geklappt.«
Mike? Wie war er ungesehen in die Halle gekommen und wieder raus? Caros Worte drangen wie durch einen Nebel zu mir. Sie war ein Monster! Ich musste hier weg – schnell! Zentimeter um Zentimeter schob ich mich von ihr und ihrem Prügel weg. Endlich war ich außer Reichweite, hatte genug Abstand gewonnen, um aufzustehen. Ich verschwendete keine Sekunde, rappelte mich auf, rannte los, lief, so schnell ich konnte.
»Bleib stehen!«, schrie Caro und sprintete hinter mir her. Ihre Stimme war nah – sehr nah.
Ich stolperte, fing mich aber noch rechtzeitig und rannte weiter. Caro holte auf. Sie war verdammt schnell.
Weiter, weiter, Sam, lauf!, brüllte es in mir. Pure Angst trieb mich an. Panik! Nur weg, weg!
In der Zwischenzeit war es fast dunkel geworden. Nur mit Mühe konnte ich den gähnenden Abgrund vor mir erkennen, die Schlucht, die senkrecht nach untenfiel. Ich schlitterte über das nasse Laub, schlug einen Haken nach links. Caro hatte es vorausgeahnt, sie schnitt mir den Weg ab. Jetzt stand sie direkt vor mir. Weiter nach hinten ausweichen konnte ich nicht. Nur noch drei, höchsten vier Schritte war ich von der Kante entfernt.
Kapitel 42
Mit voller Wucht schlug Caro zu. Meine Schulter! Der Schmerz zwang mich in die Knie. Ich knallte mit dem Kopf direkt auf eine Baumwurzel. Ein höllischer Stich fuhr durch meine Schläfe. Für einen
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