Schwanengrab
warf Neela ein.
»Caro hat die Rose auf Veronikas Grab gelegt, weil sie wusste, dass das, was sie getan hatte, unrecht war. Und weil sie Veronikas Tod als Folge ihres Handelns nicht verkraften konnte. Und sie hat eine weitere Rose auf das Grab ihres Bruders gelegt, weil sie ihn so sehr vermisste«, schlussfolgerte ich.
Der Kommissar nickte erneut.
»Und Geli?«, fragte ich schließlich. »Welche Rolle spielt sie?«
Der Kommissar seufzte. »Ich habe sie gestern noch vernommen. Sie liegt ebenfalls hier im Krankenhaus. Sie ist absolut fertig und wird psychologisch betreut. Geli und Caro waren gute Freundinnen. Bis letzten Juni. Da hat Geli langsam gemerkt, dass mit Caro irgendwas nicht stimmt. Caro hat sie um einige Gefallen gebeten, was Geli anfangs auch gerne und ohne darüber nachzudenken gemacht hat. Zum Beispiel, sich beim Arzt nach Veronikas Krankheitsbild und den notwendigen Medikamenten zu erkundigen. Geli hat sich nicht viel dabei gedacht. Erst als Veronika diesen schrecklichen Unfall hatte und Caro sich immer häufiger seltsam, fast schon aggressiv verhalten hat, bekam Geli langsam Angst. Mehrmals hatte Caro etwas von einem Mike erwähnt, und Geli dachte, es gäbe tatsächlich einen Freund mit diesem Namen.
Statt sich ihren Eltern oder ihren Lehrern anzuvertrauen, hat sie geschwiegen und ist dabei von Caro immer mehr in die Sache verwickelt worden. Caro hat Geli gedroht, ihr würde etwas Ähnliches wie Veronika zustoßen, falls sie nicht mitspielt. Und Geli hat sich davon einschüchtern lassen. Als du, Sam, an die Schule gekommen bist, ging für Geli alles wieder von vorne los. Caro hat sie angewiesen, dir nachzuspionieren und dich zu sabotieren. Die anderen Mädchen aufzustacheln, die Luft aus den Reifen deines Fahrrades zu lassenund solche Dinge. Gleich zu Beginn kam Geli die Idee mit den Drohbriefen. Sie dachte, wenn sie dich einschüchtert, verlässt du so schnell wie möglich wieder die Schule, und alles beruhigt sich. Letztlich hat sie Caros übles Spiel mitgespielt, weil sie Angst vor ihr hatte und sich selbst schützen wollte.«
Ich nickte. So etwas in der Art hatte Geli angedeutet.
»Und der Simon?«, fragte Neela grimmig. »Hat der davon nichts gemerkt?«
Der Kommissar lächelte bitter. »Ich glaube, Herr Simon war oft mehr mit sich selbst beschäftigt als mit seinen Schülern. Dass er durch seine kumpelhafte, freundschaftliche Art Veronika und Caro den Kopf verdreht hat, hat er gar nicht realisiert. So jedenfalls hat er es immer wieder beteuert. Er hat Veronika sehr gemocht und hat ihr Nachhilfe in Mathe gegeben, weil das das einzige Fach war, in dem sie nicht glänzte.«
Mathe! Noch eine Parallele, dachte ich bitter.
»Deshalb war Veronika also bei Herrn Simon zu Hause.« Neela zählte eins und eins zusammen.
Wieder nickte der Kommissar. »Ja! Die Gerüchte über ein Verhältnis mit Veronika hat Herr Simon zwar mitbekommen, sie haben ihm aber eher geschmeichelt. Großartig Gedanken darüber hat er sich nicht gemacht.«
»Ganz schön oberflächlich, der Typ!«, meinte Neela abfällig.
Der Kommissar seufzte. »Es hätte zumindest eine ganze Menge Übel verhindert werden können, wäre Geli zu einer Vertrauensperson gegangen und Herr Simon seinenpädagogischen Pflichten gewissenhafter nachgekommen.« Er blickte mich nachdenklich an. »Du hast ganz schön was mitgemacht, Samantha. Wenn mal wieder etwas ist, dann ruf mich an.« Er streckte mir seine Visitenkarte entgegen. Dann musterte er mich und Christoph. »Obwohl du ja jetzt in ganz guten Händen bist, wie ich sehe. Ich muss weiter. Es gibt noch eine Menge Arbeit ...« Er stöhnte, hob die Hand und verließ das Krankenzimmer.
»Der Arme«, sagte Neela und stand ebenfalls auf.
»Wo gehst du denn jetzt hin?«, fragte ich sie verwundert.
»Ich hatte letzte Nacht so einen seltsamen Traum. Vielleicht hilft der bei den Ermittlungen weiter. Ich glaube, ich muss ihn der Polizei erzählen.« Sie grinste und verließ ebenfalls das Zimmer.
»Die ist doch unglaublich!«, sagte Christoph kopfschüttelnd. Ich musste lachen.
»Aber so abwegig ist das, was Neela da treibt, gar nicht. Schließlich hat ihr Vollmond-Ritual bestens funktioniert, was uns beide anbelangt«, meinte ich. Ich sah nur noch seine blauen Augen. Dann beugte er sich zu mir.
Herzlichen Dank an alle, die zum maßgeblichen Gelingen dieses Buches beigetragen haben:
dtv – allen voran meiner Lektorin Anke Thiemann und Frau Schieckel. Vielen Dank für das Vertrauen. Es macht sehr
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