Schwanengrab
Moment sah ich nur wilde Farbblitze. Ich zwang mich zu blinzeln, versuchte, wieder auf die Beine zu kommen, aber es ging nicht. Alles drehte sich, mir war schlecht vor Schwindel. Hoch, hoch! Aufstützen konnte ich mich nicht, der Schmerz in meiner Schulter drückte mich wieder zu Boden. In meiner Verzweiflung kroch ich weiter. Weg von ihr, nur weg! Caro hob den Ast erneut. Ich schrie, hob schützend meinen unverletzten Arm.
Plötzlich hörte ich Hundegebell. Für einen wirren Moment dachte ich an Winnie. Caro zögerte, starrte erschrocken in die Richtung, aus der die Geräusche kamen.
»NEIN!«, brüllte jemand aus einiger Entfernung. Mein Herz machte einen Satz. Christoph!
Lichtkegel von Taschenlampen fielen zwischen den Bäumen hindurch, blendeten uns.
»POLIZEI! Waffe weglegen!« Eine zweite Stimme, tief und fremd, aber in diesem Moment so wohlklingend für mich wie nichts anderes auf der Welt.
Caro ließ den Stock sinken. Zwischen den Bäumenhindurch rannten Leute auf uns zu. Ein Schäferhund stürzte uns entgegen, mit gefletschten Zähnen. Dahinter ein Beamter, der das Tier an der Leine hielt. Jemand brüllte: »Wir haben sie!«
Zwei weitere Uniformierte mit gezückter Waffe folgten. Caro blickte zuerst zu den Polizisten, dann zu mir, ihre Augen weit aufgerissen, starr vor Schreck.
»Waffe weg!«, hörte ich erneut.
Caros Stock fiel zu Boden. Jemand packte sie und drehte ihre Hände auf den Rücken. Ein anderer gab Anweisungen über Funk: »Handyortung einstellen.«
Dann erblickte ich Christoph.
Erleichtert sackte ich zurück in das nasse Laub. Der schreckliche Schmerz in meiner Schulter war kaum zu ertragen.
Als ich später auf dem Parkplatz vor der Bushaltestelle auf einem gefällten Baumstamm saß, hatte mir der Notarzt schon längst ein Mittel gespritzt. Es dämpfte nicht nur den Schmerz, sondern ließ die Welt um mich herum verschwimmen. Ich kam mir vor wie unter einer Dunstglocke. Christoph hielt die Decke fest, die irgendjemand um meine Schulter gehängt hatte. Sein Arm lag um meinen Rücken. Ich zitterte am ganzen Körper, saß einfach nur da und spürte das Klappern meiner Zähne. Mir war kalt und entsetzlich übel.
Von allen Seiten erhellten Scheinwerfer die Szene. Ein Polizist stellte mir Fragen und notierte eifrig die Antworten, die ich wie mechanisch gab. Ein anderer Beamterpackte mein Handy in eine durchsichtige, kleine Plastiktüte. In eine andere Tüte kam Christophs Handy als Beweisstück. Er hatte das Gespräch aufgezeichnet und alles mitgehört, zumindest so lange, bis mein Akku den Geist aufgab. Auch die Geschichte mit Mike. Christoph war um sechs tatsächlich zu mir nach Hause gefahren. Er wollte mit mir reden. Über uns, über Veronika. Doch ich war nicht da und über mein Handy konnte er mich nicht erreichen. Das hatte ich ja ausgeschaltet. Er war schon auf der Suche nach mir, als mein verzweifelter Anruf auf seinem Handy einging. Zum Glück hatte er schnell reagiert und gleich die Polizei verständigt.
Einer der Polizisten schob Caro gerade auf den Rücksitz eines Streifenwagens. Wenig später fuhr er mit Blaulicht davon.
Erst jetzt wurde mir langsam alles bewusst. Das ganze Ausmaß dieser entsetzlichen Geschichte. Tränen liefen mir über die Wangen. Ich zitterte noch mehr. Vorsichtig nahm Christoph mich ein wenig fester in den Arm. Ich war so froh, dass er bei mir war.
Die Sanitäter verfrachteten mich auf einer Trage in den Notarztwagen. Christoph kam mit. Die ganze Fahrt bis zum Krankenhaus saß er neben mir und hielt meine Hand. Am liebsten hätte ich mich wieder in seine Arme gekuschelt. Ich war müde und erschöpft, aber wenigstens war der Schmerz erträglich.
»Das ist das Mittel, das wir dir gespritzt haben«, sagte der Notarzt beruhigend. »Kann sein, dass du gleich ein bisschen einschläfst.«
Ich konnte meine Augen tatsächlich kaum noch offen halten. Als ich Christoph ansah, lächelte er. Er hatte die schönsten Augen der Welt. Ganz leicht strich er mir eine nasse Haarsträhne zur Seite. Ich schmiegte mein Gesicht in seine Hand. Ein wenig kämpfte ich noch dagegen an, aber meine Augenlider wurden so unglaublich schwer ... Ich wachte erst wieder auf, als man mich aus dem Krankenwagen schob. Christoph ließ meine Hand die ganze Zeit nicht los. Nur während der Röntgenaufnahme und beim Anlegen des Verbandes wich Christoph für kurze Zeit von meiner Seite.
Ich hatte von dem Sturz eine leichte Gehirnerschütterung, Aufschürfungen und vom dem heftigen Schlag auf
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