Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwanenschmaus im Porterhouse

Schwanenschmaus im Porterhouse

Titel: Schwanenschmaus im Porterhouse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
Vom Netzwerk:
machte. Es war wohl so, daß Mrs. Biggs, im Gegensatz zur Künstlichkeit von allem anderen in Cambridge, mit ihrer Körperfülle eine natürlich Wärme ausstrahlte, die ihren Reiz ausmachte. Bestimmt gab es keine andere Erklärung. Betrachtete man sie Stück für Stück – und Zipser wußte gar nicht, wie er sie sonst betrachten sollte –, war die Aufwartefrau außergewöhnlich unattraktiv. Nicht allein die Größe ihrer Gliedmaßen war erstaunlich, sondern auch die rohe Kraft dieser Person. Mrs. Biggs’ Gang war eine Manifestation bedrohlicher Mütterlichkeit, während sich ihr Gesicht eine Jugendlichkeit bewahrt hatte, die so gar nicht zu ihrer Leibesfülle passen wollte. Nur ihre Stimme verriet, wie gewöhnlich sie war, ihre Stimme und ihre Gespräche, in denen sie hauchdünn am Obszönen vorbeischrammte und Unterwürfigkeit mit Vertraulichkeit so mischte, daß er nie wußte, wie reagieren. Er stieg aus dem Bett und zog sich an. Es war ein Treppenwitz der Weltgeschichte, dachte er, daß Mrs. Biggs’ offenkundige Reize in einem College, das auf sein Festhalten an alten Werten so stolz war, unbeachtet blieben. In der Altsteinzeit wäre sie eine Prinzessin gewesen, und er fragte sich gerade, wann genau in der Geschichte die Mrs. Biggses aufgehört hatten, das Schönheitsideal schlechthin zu sein, als sie an die Tür klopfte. »Mr. Zipser, ha’m Sie was an?« rief sie. »Moment, ich komme«, rief Zipser zurück. »Würde mich überhaupt nicht wundern«, murmelte Mrs. Biggs vernehmlich.
    Zipser öffnete die Tür.
    »Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit«, sagte Mrs. Biggs und schob sich provozierend an ihm vorbei.
    »Tut mir wirklich leid, daß ich Sie aufgehalten habe«, sagte Zipser spöttisch.
    »Mich ausgehalten? Hör sich das einer an. Und wie kommen Sie auf den Gedanken, mich würde es stören, wenn mich jemand aushält?«
    Zipser errötete. »Sie haben mich absichtlich mißverstanden«, sagte er verbittert.
    »Sehr schmeichelhaft, hoho«, sagte Mrs. Biggs und musterte ihn mit schelmischem Tadel. »Wir sind heute morgen wohl mit dem linken Fuß zuerst aufgestanden, was?« Zipser registrierte den Plural mit wohligem Schaudern und schlug die Augen nieder. Er fand Mrs. Biggs’ schweinemäßig enge Stiefel hinreißend.
    »Mr. Skullion hat heute morgen ein blaues Auge«, fuhr die Aufwartefrau fort. »Muß sich ’n schweren Schwinger gefangen haben. Wurde auch langsam Zeit. Sag’ ich zu ihm: ›Ihnen hat wohl jemand eine verpaßt.‹ Wissen Sie, was er darauf sagt?« Zipser schüttelte den Kopf. »Darauf sagt er: ›Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie ihre Kommentare für sich behielten, Mrs. Biggs.‹ Das hat er gesagt. Blöder alter Trottel. Weiß nicht, in welchem Jahrhundert er lebt.« Zipser folgte ihr ins Nebenzimmer. Er setzte den Kessel für das Kaffeewasser auf, während Mrs. Biggs eifrig hin und her lief und irgendwelche Gegenstände hochhob und wieder absetzte, als wäre sie beschäftigt, was aber lediglich der Untermalung ihre Stimmung diente. Die ganze Zeit über ratterte sie ihr tägliches Quantum belangloser Informationen herunter, während Zipser wie ein Toréador durch das Zimmer irrte, der versucht, einem geschwätzigen Stier auszuweichen. Jedesmal wenn sie ihn streifte, verspürte er eine animalische Anziehungskraft, die alle Erwägungen des Geschmacks und jenes Gefühl für Ästhetik außer Kraft setzte, das während seines Studiums hätte heranreifen sollen. Schließlich stand er in einer Ecke, konnte kaum an sich halten, und wandte den Blick nicht von ihrer durchs Zimmer polternden Gestalt. Ihre Worte verloren jeden Sinn, wurden ein wohltuender Geräuschteppich, eine wellenförmigen Begleitung zum Wogen ihrer Schenkel und den mächtigen Brechern ihrer Hinterbacken, die sich glänzend und mit Grübchen unter dem Rock abzeichneten. »Sag’ ich zu ihm: ›Sie wissen ja, was Sie mit Ihrem ...‹« Mrs. Biggs’ Stimme gab Zipsers schrecklichen Gedanken wieder. Als sie sich bückte, um den Staubsauger einzustöpseln, hüpften ihre Brüste in der Bluse, sie wogten mit einer Kraft, die Zipser nahezu unwiderstehlich fand. Er spürte, daß er wie ein von der widernatürlichen Zuneigung zu einem gewaltigen Gegner getriebener Boxer aus seiner Ecke kam. In seinem Mund drängten sich Worte. Unerwünschte Worte. Unaussprechliche Worte. »Ich will dich«, sagte er. Die endgültige Blamage ersparte ihm der plötzlich losröhrende Staubsauger. »Was sagten Sie eben?« überschrie Mrs. Biggs das

Weitere Kostenlose Bücher