Schwanenschmaus im Porterhouse
Getöse. Das Ansaugrohr preßte sie gegen ein Sesselkissen. Zipser lief puterrot an. »Nichts«, brüllte er und ließ sich wieder in seine Ecke sinken.
»Sack ist voll«, sagte Mrs. Biggs und schaltete das Gerät ab. In der nun folgenden Stille lehnte Zipser sich gegen die Wand, entsetzt von seinem grauenhaften Bekenntnis. Gerade wollte er zur Tür sprinten, als Mrs. Biggs sich bückte und die Klammern am hinteren Teil des Staubsaugers öffnete. Zipser starrte in ihre Kniekehlen. Diese Stiefel, diese Hautfalten, die Wölbung ihrer Schenkel, der Rand ihrer Strümpfe, der Halbmond ...
»Sack ist voll«, wiederholte Mrs. Biggs. »Die Saugwirkung ist gleich null, wenn der Sack voll ist.« Sie richtete sich auf, in den Händen den grauen, aufgeblähten Sack ... Zipser schloß die Augen. Mrs. Biggs leerte den Sack in den Papierkorb. Eine graue Staubwolke verteilte sich im Zimmer.
»Fühlen Sie sich auch wohl, Jungchen?« fragte sie und musterte ihn mütterlich besorgt. Zipser öffnete die Augen und starrte ihr ins Gesicht.
»Mir geht’s prima«, rang er sich ab, während er versuchte, den Blick von ihren Lippen zu wenden. Mrs. Biggs’ dick aufgetragener Lippenstift glänzte. »Ich habe nicht besonders gut geschlafen, das ist alles.«
»Zuviel Arbeit und nicht genug Vergnügen ist noch keinem Jungen gut bekommen«, verkündete Mrs. Biggs, den Staubsack schlaff in der Hand haltend. Auf Zipser übte das Ding eine erotische Anziehungskraft aus, die er nicht zu analysieren wagte. »Jetzt setzen Sie sich erstmal hin, ich mache Ihn’ ’n Kaffee, und schon geht’s Ihn’ besser.« Mrs. Biggs’ Hand packte seinen Arm und führte Zipser zu einem Stuhl, auf den er sich fallen ließ. Dann starrte er den Staubsauger an, während Mrs. Biggs sich wieder einmal bückte – und nun, da Zipser saß und ihr näher war, noch mehr enthüllte –, den Sack in das Gerät einführte und es einschaltete. Es folgte ein furchtbares Dröhnen, dann wurde der Sack mit einer Macht ins Innere der Maschine gesogen, die haargenau Zipsers Gefühlen entsprach. Mrs. Biggs richtete sich auf und ging zum Kaffeemachen in die Dienerkammer, während Zipser matt auf dem Stuhl herumrutschte. Was mit ihm geschah, war ihm unbegreiflich. Alles war so entsetzlich. Er mußte verschwinden. Er konnte unmöglich ruhig sitzen bleiben, wenn sie im selben Zimmer war, sonst würde er etwas Furchtbares tun. Er hatte sich nicht mehr in der Gewalt, er würde Dinge sagen ... Gerade wollte er aufstehen und sich davonstehlen, als Mrs. Biggs mit zwei Tassen Kaffee zurückkam.
»Sie sehen wirklich seltsam aus«, sagte sie und drückte ihm eine Tasse in die Hand. »Sie sollten zu einem Arzt gehen. Vielleicht haben Sie sich irgendwas eingefangen.«
»Gewiß«, sagte Zipser gehorsam. Mrs. Biggs setzte sich ihm gegenüber und trank ein paar Schlückchen Kaffee. Zipser versuchte, nicht immer auf ihre Beine zu sehen und ertappte sich dabei, wie er auf ihre Brüste starrte.
»Sind Sie oft in solchen Schwulitäten?« erkundigte sich Mrs. Biggs.
»Schwulitäten?« sagte Zipser, von dieser Anschuldigung aus seinen Träumen gerissen. »Gewiß nicht.«
»Habe ja bloß gefragt«, sagte Mrs. Biggs. Mit eindeutig anzüglichem Schlürfen trank sie einen Mundvoll Kaffee. »Ich hatte mal ’n jungen Mann«, fuhr sie fort, »genau so einer wie Sie. Geriet ab und an in Schwulitäten. Warf sich hin und her und wand sich ganz furchtbar. Brauchte immer ’ne Menge Zeit, um ihn am Boden festzuhalten, ehrlich.«
Zipser starrte sie verzückt an. Die Vorstellung, von Mrs. Biggs festgehalten zu werden, während er sich am Boden wand, überstieg seine Kräfte. Mit einem Ruck, wobei er seinen Kaffee verschüttete, sprang Zipser vom Stuhl und raste aus dem Zimmer. Er rannte nach unten und hinaus in die Sicherheit. »Ich muß etwas unternehmen. Ich hab’ mich nicht mehr unter Kontrolle. Zuerst Skullion, und jetzt Mrs. Biggs.« In aller Eile verließ er Porterhouse und ging durch das Cláre College zur Universitätsbibliothek.
Allein in Zipsers Zimmer schaltete Mrs. Biggs den Staubsauger an und schob ihn am Griff durch das ganze Zimmer. Bei der Arbeit sang sie laut »Love me tender, love me true« vor sich hin. Ihre heisere, falsche Stimme übertönte der Lärm des Electrolux.
Der Dekan verbrachte den Morgen mit Briefeschreiben an Mitglieder der Porterhouse-Gesellschaft. Als Sekretär der Gesellschaft besuchte er die jährlichen Diners in London und Edinburgh und korrespondierte regelmäßig mit
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