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Schwanenschmaus im Porterhouse

Schwanenschmaus im Porterhouse

Titel: Schwanenschmaus im Porterhouse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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unrecht tun«, stellte der Dekan kategorisch fest.
    »Mrs. Biggs gehört wohl kaum in die Abteilung verbotene Früchte‹«, kicherte der Schatzmeister.
    »Schönen Dank«, sagte der Kaplan, »ich hätte gern einen Apfel.«
    »Mrs. Biggs«, murmelte der Tutor. »Kein Wunder, daß der arme Kerl glaubt, er hätte nicht alle Tassen im Schrank.«
    »Aber nicht doch«, sagte der Kaplan. »Soweit ich sehe, sind noch alle vorhanden.«
    »Welchen Rat haben Sie ihm gegeben?« wollte der Schatzmeister wissen.
    Der Obertutor sah ihn ungläubig an. »Rat? In solchen Dingen Rat zu erteilen, gehört wohl kaum zu meinen Aufgaben. Ich bin der Obertutor, kein Eheberater. Ich habe ihm also geraten, mit dem Kaplan zu sprechen.«
    »Es ist eine edle Berufung«, sagte der Dekan und nahm sich eine Birne. Mit einem Seufzer aß der Obertutor sein kaltes Rindfleisch auf.
    »Das zeigt mal wieder, was passiert, wenn man Doktoranden die Collegetüren öffnet. In der guten alten Zeit wäre so etwas unerhört gewesen«, sagte der Dekan.
    »Vielleicht, ist aber doch wohl vorgekommen«, sagte der Schatzmeister.
    »Mit Aufwartefrauen?« fragte der Dekan wütend. »Mit Aufwartefrauen? Verlieren Sie bitte nicht Ihren Sinn für Proportionen.«
    »Nein danke, Dekan. Ich habe wirklich genug«, antwortete der Kaplan.
    Gerade wollte der Dekan etwas über alte Narren sagen, als sich der Obertutor zu Wort meldete. »Im Falle von Mrs. Biggs spielen die Proportionen nun einmal die Hauptrolle.«
    »Die hatten wir gestern abend«, sagte der Kaplan. »Du lieber Himmel«, zischte der Obertutor. »Wie zum Teufel soll man ein ernsthaftes Gespräch führen, wenn er in der Nähe ist.«
    »Mein Lieber«, seufzte der Prälektor, »genau diese Frage beschäftigt mich seit Jahren.«
    Schweigend beendeten sie das Essen, jeder hing seinen Gedanken nach. Erst als sie sich zum Kaffee im Gemeinschaftsraum eingefunden und den Kaplan überredet hatten, in sein Zimmer zu gehen und Zipser schriftlich zum Tee einzuladen, lebte das Gespräch wieder auf.
    »Ich glaube, wir sollten diese Angelegenheit in einen größeren Zusammenhang stellen«, sagte der Dekan. »Die gestrige Rede des Rektors hat nur allzu deutlich gezeigt, daß ihm eine Ausweitung der Permissivität vorschwebt, für die jener letzte Vorfall symptomatisch ist. Soviel ich weiß, Schatzmeister, hatten Sie heute morgen ein Tete-à-tete mit Sir Godber.« Der Schatzmeister warf ihm einen unfreundlichen Blick zu. »Der Rektor bat mich telefonisch um eine Unterredung über die Collegefinanzen. Sie könnten mir ruhig dankbar sein, daß ich mir alle erdenkliche Mühe gegeben habe, ihm die in seiner Rede angedeuteten Veränderungen auszureden.«
    »Sie haben ihm erklärt, unsere Mittel lassen nicht zu, daß wir den liberalen Extravaganzen von King’s oder Trinity frönen?« fragte der Obertutor. Der Schatzmeister nickte. »Und war der Rektor zufrieden?« wollte der Dekan wissen. »Mit ›niedergeschmettert‹ wäre seine Reaktion, glaube ich, angemessener umschrieben«, antwortete der Schatzmeister. »Dann sind wohl alle einverstanden, daß wir sämtliche Vorschläge, die er morgen dem Collegerat unterbreitet, grundsätzlich bekämpfen«, stellte der Dekan fest. »Meines Erachtens wäre es ratsam, seine Vorschläge anzuhören, ehe wir uns endgültig für ein Vorgehen entscheiden«, sagte der Prälektor.
    Der Obertutor nickte. »Wir dürfen keineswegs unflexibel wirken. Oft wirkt der Anschein von Aufgeschlossenheit meiner Erfahrung nach besänftigend auf die radikale Linke. Diese Leute haben dann offensichtlich das Gefühl, sie müßten sich erkenntlich zeigen. Ich habe mich schon oft gefragt, warum, aber es hat dazu beigetragen, das Land jahrelang auf dem rechten Kurs zu halten.«
    »Leider haben wir es diesmal mit einem Politiker zu tun«, wandte der Dekan ein. »Ich habe das sichere Gefühl, daß der Rektor in solchen Dingen gewiefter ist, als wir ihm zutrauen. Meiner Meinung nach wäre eine geschlossene Front die beste Taktik.«
    Nachdem sie ihren Kaffee ausgetrunken hatten, ging jeder seinen Geschäften nach. Der Obertutor begab sich zum Bootshaus, um die erste Mannschaft zu trainieren, der Dekan legte sich bis zur Teestunde aufs Ohr, und der Schatzmeister kritzelte den ganzen Nachmittag in seinem Büro vor sich hin und fragte sich, ob es klug war, Sir Godber von den Begabungsspenden zu erzählen. Die heftige Reaktion des Rektors hatte den Schatzmeister überrascht, und er überlegte, ob er zu weit gegangen war. Vielleicht

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