Schwanenschmaus im Porterhouse
Zipser völlig demoralisiert das Zimmer. Zu seinem Glück hatte er sein wahres Anliegen für sich behalten, und das liebenswürdige Sondieren des Kaplans, seine zaghaften Fragen hatten ihm keine Antworten entlockt. Schweigend hatte Zipser einen sexuellen Katechismus über sich ergehen lassen und lediglich den Kopf geschüttelt, wenn der Kaplan besonders obszöne Themenbereiche anschnitt. Zum Schluß hatte er sich eine Eloge auf die Vorzüge von Aupair- Mädchen angehört. Augenscheinlich fielen Ausländerinnen nach Ansicht des Kaplans nicht unter die sexuellen Vorschriften der Kirche.
»Viel geringere Gefahr, daß es zu einem dauerhaften unheilvollen Verhältnis kommt«, hatte er gebrüllt, »und außerdem denke ich oft, daß sie aus diesem Grund hierherkommen. Nur ein flüchtiger Augenblick, das Mädchen aus der Fremde ... Sie wissen schon.« Er machte eine Pause und schmunzelte Zipser anzüglich zu. »Irgendwann müssen wir uns alle die Hörner abstoßen, und das geht am besten im Ausland. Ich denke oft, das muß Rupert Brooke mit seinem Vers über die Ecke in einem fremden Feld gemeint haben. Allerdings, wenn ich’s recht bedenke, kann man kaum behaupten, er sei kerngesund gewesen, doch was soll’s. So lautet mein Rat an Sie, lieber Junge: Suchen Sie sich ein nettes schwedisches Mädel, die sollen sehr gut sein, hört man, und lassen Sie die Sau raus. So sagt man wohl heutzutage. Jawohl, Schwedinnen oder Französinnen, ganz nach Ihrem Geschmack. Spanierinnen sind ein wenig schwierig, heißt es, und neigen außerdem zu übertriebener Behaarung. Doch wer hintenrum verkehrt, kann nicht wählerisch sein, sagte der alte Sir Winston auf der Schwulenhochzeit. Ha, ha.«
Zipser wankte aus dem Zimmer. Nun wußte er, was offensives Christentum bedeutete. Er ging die dunkle Treppe hinunter und wollte eben den Hof betreten, als er die Studentengruppe am Brunnen bemerkte. Zipser drehte sich um, floh die Stufen hinauf und schloß sich im Klosett auf dem obersten Treppenabsatz ein. Eine Stunde später, als im Speisesaal das Abendessen eingenommen wurde, hockte er immer noch dort.
Kapitel 6
Sir Godber speiste zu Hause. Er erholte sich immer noch von seinen Magenbeschwerden nach dem Festmahl, außerdem hatten die Enthüllungen des Schatzmeisters seine Abneigung verstärkt, sich in die Gesellschaft der Fellows zu begeben, bevor seine Pläne deutlicher formuliert waren. Den Nachmittag über hatte er diverse Projekte zur Geldbeschaffung erwogen und verschiedene finanzkräftige Freunde aus der Londoner Geschäftswelt um Rat und eigene Vorschläge gebeten, aber ohne Erfolg. Blomberg’s Bank war zwar willens gewesen, mehrere Forschungsstipendien in Buchführung zu stiften, doch selbst Sir Godber bezweifelte, ob sich dank solcher materiellen Freigebigkeit das intellektuelle Klima von Porterhouse ändern ließe. Er hatte sogar mit dem Gedanken gespielt, gegen eine großzügige Spende der American Phosgene Corporation collegeeigene Einrichtungen zur Erforschung von Nervengas zur Verfügung zu stellen, Einrichtungen, die dieser Firma von sämtlichen amerikanischen Universitäten verweigert worden waren, vermutete aber, daß die daraus resultierende Publicity samt Studentenprotesten seinen bereits lädierten Ruf als Liberaler vollends ruinieren würden. Publicity ging ihm viel im Kopf herum. Um siebzehn Uhr fragte die BBC telefonisch an, ob er in einer Gesprächsrunde führender Bildungsexperten Fragen über finanzielle Prioritäten im Bildungswesen beantworten würde. Sir Godber war sehr versucht, anzunehmen, lehnte aber mit der Begründung ab, er habe noch nicht allzu viele Erfahrungen sammeln können. Widerstrebend legte er den Hörer auf und fragte sich, wie seine Bekanntmachung, daß Porterhouse College akademische Grade an reiche junge Faulenzer zu verkaufen pflege, wohl auf mehrere Millionen Zuschauer gewirkt hätte. Es war ein angenehmer Gedanke, der im Kopf des Rektors eine sogar noch befriedigendere Vorstellung heranreifen ließ. Er griff wieder zum Telefon und rief den Schatzmeister an.
»Könnten wir für morgen nachmittag eine Sitzung des Collegerates einberufen? Sagen wir um halb drei?«
»Eine ziemlich kurzfristige Anberaumung, Herr Rektor«, antwortete der Schatzmeister.
»Gut. Es bleibt also bei halb drei«, sagte Sir Godber mit unerschütterlicher Freundlichkeit und legte den Hörer auf. Er lehnte sich zurück und stellte eine Liste mit Neuerungen zusammen. Kandidaten sollten nur aufgrund ihrer Leistungen
Weitere Kostenlose Bücher