Schwanenschmaus im Porterhouse
Pfeife rauchen«, sagte er. »Beruhigt die Nerven. Rückt alles in die richtige Perspektive. Ohne wäre ich aufgeschmissen.« Er lehnte sich heftig paffend zurück. Zipser starrte ihn durch eine Rauchwand an.
»Wo waren wir stehengeblieben?« fragte der Kaplan. Zipser lachte krampfhaft nach. »Ach ja, Ihr Problemchen«, sagte der Kaplan endlich. »Ich wußte, da war doch was.« Zipser starrte wütend ins Feuer.
»Der Obertutor erwähnte irgend etwas. Viel habe ich nicht mitbekommen, aber so ist das meistens. Ich bin fast taub, verstehen Sie.«
Zipser nickte verständnisvoll.
»Typisches Altersgebrechen. Das und der Rheumatismus. Kommt von der Feuchtigkeit, müssen Sie wissen. Zieht vom Fluß herauf. Sehr ungesund, so nahe am Sumpfgelände zu wohnen.« Seine Pfeife kokelte sanft vor sich hin. In der relativen Ruhe dachte Zipser darüber nach, was er sagen sollte. Das Alter und die unübersehbaren körperlichen Beschwerden des Kaplans ließen es schwer vorstellbar erscheinen, daß er das Problem namens Mrs. Biggs auch nur ansatzweise verstehen würde.
»Hier liegt bestimmt ein Mißverständnis vor«, setzte er zögernd an und verstummte. Dem Gesichtsausdruck des Kaplans entnahm er, daß dieser überhaupt nichts verstand. »Sie müssen lauter sprechen«, brüllte der Kaplan. »Ich bin ziemlich schwerhörig.«
»Das merke ich«, sagte Zipser.
Der Kaplan strahlte ihn an. »Nur immer frisch von der Leber weg. Nichts, was Sie sagen, kann mich erschüttern.«
»Das überrascht mich nicht«, sagte Zipser. Das Lächeln des Kaplans blieb eisern wohlwollend. »Ich weiß, was wir machen«, sagte er, sprang auf und machte sich hinter seinem Sessel zu schaffen. »Das benutze ich manchmal für die Beichte.« Er tauchte mit einem Megaphon auf, das er Zipser reichte. »Drücken Sie auf den Knopf, wenn Sie sprechen wollen.«
Zipser hielt das Ding vor seinen Mund und starrte über den Rand des Gerätes hinweg den Kaplan an. »Ich kann mir wirklich nicht denken, daß es funktioniert«, meinte er schließlich. Seine Worte hallten durch das Zimmer und ließen die Teekanne auf dem Messingtisch erzittern.
»Natürlich tut es das«, schrie der Kaplan. »Ich verstehe Sie ausgezeichnet.«
»Das meinte ich nicht«, wandte Zipser verzweifelt ein. Die Wedel der Rizinuspflanze bebten schwerfällig. »Ich meinte, es wird nicht dabei helfen, über ...« Er verschluckte sein Dilemma mit Mrs. Biggs.
Der Kaplan lächelte salbungsvoll und zog kräftig an seiner Pfeife. »Viele junge Männer, die mit mir sprechen wollen«, sagte er, unsichtbar in einer Rauchwolke, »leiden an Schuldgefühlen wegen Masturbation.«
Zipser spähte verzweifelt in die Rauchwand. »Masturbation?
Wer hat denn was von Masturbation gesagt?« gröhlte er in das Megaphon. Jemand hatte, zweifellos. Schrecklich verstärkt quollen seine Worte aus dem Zimmer über den Hof. Unten am Brunnen drehten sich etliche Studenten um und sahen zu den Fenstern der Kaplanswohnung hoch. Schwerhörig von seiner eigenen Lautstärke, hockte Zipser schwitzend vor Verlegenheit da.
»Wenn ich den Obertutor recht verstanden habe, wollten Sie mich wegen eines sexuellen Problems sprechen«, brüllte der Kaplan.
Zipser ließ das Megaphon sinken. Das Ding hatte offenbar seine Nachteile.
»Ich versichere Ihnen, daß ich nicht masturbiere«, sagte er. Der Kaplan sah ihn verständnislos an. »Den Knopf drücken, wenn Sie sprechen wollen«, erklärte er. Zipser nickte stumm. Zu wissen, daß er der ganzen Welt seine Gefühle für Mrs. Biggs verkünden mußte, wenn er überhaupt mit dem Kaplan kommunizieren wollte, brachte ihn in arge Verlegenheit, was sich durch die gebrüllten Antworten des Kaplans keineswegs besserte.
»Oft hilft es, wenn man die Dinge offen ausspricht«, versicherte der Kaplan. Zipser hatte da so seine Zweifel. Geständnisse der Sorte, wie er sie zu machen hatte, mittels eines Megaphons hinauszuposaunen, würde bestimmt überhaupt nicht helfen. Genausogut könnte er gleich losziehen, die Angelegenheit hinter sich bringen und dieser furchtbaren Frau einen Antrag machen. Er saß mit gesenktem Kopf da, während der Kaplan weiter brüllte.
»Vergessen Sie nicht, alles, was Sie mir sagen, wird absolut vertraulich behandelt«, schrie er. »Sie brauchen keine Angst zu haben, daß es weitergetragen wird.«
»Davon bin ich überzeugt«, murmelte Zipser. Draußen im Hof hatte sich eine interessiert lauschende Gruppe Studenten um den Brunnen geschart.
Eine halbe Stunde später verließ
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