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Schwanenschmaus im Porterhouse

Schwanenschmaus im Porterhouse

Titel: Schwanenschmaus im Porterhouse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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beschränkten. Mit einer moralischen Inbrunst, die eindeutig religiöse Züge trug, ohne irgendwie konfessionell gebunden zu sein, ergriff er für aussichtslose Anliegen Partei und verschaffte seinen Zuschauern das ungemein befriedigende Gefühl, indirekt philanthropische Unternehmungen mitzuerleben. Dank Carringtons Eingreifen war mehr als ein Spiritussäufer zum Alkoholiker aufgestiegen, und etliche Heroin-Abhängige hatten sich unerwartet nützlich gemacht, indem sie in Gegenwart von Carrington, dem Kamerateam und mehreren Millionen Zuschauern an Entzugssymptomen litten. Zu welchem Thema auch immer, Cornelius Carrington schaffte es, moralische Empörung mit Unterhaltung zu verknüpfen und einer Situation die beunruhigendsten Aspekte abzugewinnen, ohne bei seinem Publikum ein mehr als kurzfristiges Gefühl von Hoffnungslosigkeit zu erzeugen, das ihn ja selbst überflüssig gemacht hätte. Von dem Mann ging etwas ungemein Beschwichtigendes aus, er verkörperte alles, was am britischen Way of Life gefestigt, sicher und human war. Auch wenn Polizisten erschossen wurden (und glaubte man ihm, so wurden sie tagtäglich im ganzen Land reihenweise massakriert), so blieben die Rechtstraditionen doch unbeeinträchtigt und gegen die anschwellende Flut von Gewalt immun. Einem allwissenden Teddybär gleich, wirkte Cornelius Carrington letztendlich einlullend.
    Während er im Speisewagen sitzend die vorbeihuschende Landschaft von Broxbourne goutierte, schweiften Carringtons Gedanken von Teekuchen zu den angeblichen Gründen für seine Reise. Sir Cathcarts Einladung war zu unerwartet und unvermittelt erfolgt, um ihn davon zu überzeugen, daß sie ganz ohne Hintergedanken erfolgt sei. Carrington hatte sich des Generals Schilderung der letzten Ereignisse in Porterhouse interessiert angehört. Seine Verbindungen zu seinem alten College waren gelinde gesagt lose, und wie Sir Godber hatte er einige unangenehme Erinnerungen an den Ort und an seine Studentenzeit. Andererseits erkannte er, daß sich die Veränderungen, die Sir Cathcart in anderen Colleges bedauerte und in Porterhouse befürchtete, für eine Serie über Cambridge verwenden ließen. Carrington über Cambridge. Der Titel war hervorragend, und die Vorstellung, daß »Ein ehemaliges Erstsemester« seine ganz persönlichen Ansichten über die Universität vorbrachte, fand er ansprechend. Die Einladung des Generals hatte er ausgeschlagen und war unangemeldet gekommen, zur Erkundung des Terrains sozusagen. Natürlich würde er Porterhouse einen Besuch abstatten, doch er würde im Hotel Belvédère absteigen, das war komfortabler. Komfortabler und durch Verpflichtungen weniger eingeschränkt. Niemand sollte sagen können, Cornelius Carrington habe die Hand gebissen, die ihn fütterte.
    Als der Zug in Cambridge eintraf, hatte er die Dramaturgie der Sendung bereits im Kopf. Der Bahnhof wäre ein guter Anfang, der noch dazu die sittliche Komponente unterstrich: Er war im Jahre 1845 auf Drängen der Universitätsleitung so weit von der Innenstadt entfernt gebaut worden, weil man seinen verderblichen Einfluß fürchtete. Weise Voraussicht oder die Weigerung, Veränderungen zu akzeptieren? Der Zuschauer durfte seine eigenen Schlüsse ziehen. Carrington war unparteiisch. Es folgten Aufnahmen von Torbögen. Morsche Statuen. Schilder. Wappentiere. Kapellen und vergoldete Türme. Talare. Studenten. Die Seufzerbrücke. Das alles wartete nur darauf, von Carrington aufs Sympathischste erkundet zu werden. Er fuhr mit einem Taxi zum Hotel Belvédère. Es war anders, als er es in Erinnerung hatte. Das alte Hotel, auf seine ruhigopulente Art bezaubernd, war einem riesigen modernen Ungeheuer gewichen, einem der geschmacklosesten Monumente kommerzieller Gier, die er je gesehen hatte. Cornelius Carringtons Empörung war entfacht. Nun würde er die Fernsehserie drehen, soviel stand fest. Er verwarf die anonymen Annehmlichkeiten des Belvédère, bestellte sein Zimmer ab und nahm ein Taxi zum »Blauen Eber« in der Trinity Street. Auch hier hatte sich einiges verändert, doch wenigstens äußerlich sah das Hotel wie das aus, was es einmal gewesen war – ein Wirtshaus aus dem achtzehnten Jahrhundert –, und Carrington war es zufrieden. Auf das Äußere kommt es schließlich an, dachte er, als er auf sein Zimmer ging.
    Zu jedem früheren Zeitpunkt in seinem Leben wäre Skullion der gleichen Meinung gewesen, aber nun, da sein Haus in der Rhyder Street verkauft werden sollte und der Ruf des Colleges von

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