Schwanenschmaus im Porterhouse
der Liebäugelei des Rektors mit der kommerziellen Seite der Geburtenkontrolle bedroht war, hatte Skullion mit dem Äußeren weniger am Hut. Mißmutig trieb er sich im Pförtnerhäuschen herum: mit einer ganz neuen Schweigsamkeit, die sich deutlich von der schroffen Ehrerbietung unterschied, die er Besuchern früher erwiesen hatte. Er erschien nicht mehr an der Tür, um die Fellows mit einem knappen »Guten Morgen, Sir« zu begrüßen, und wer heute ein Paket abholen wollte, wurde meist mit griesgrämiger Gleichgültigkeit und einem mürrischen Benehmen abgefertigt, die jeden Versuch, ein Gespräch anzuknüpfen, im Keim erstickten. Sogar Walter, der Unterpförtner, fand Skullion schwierig. Der Umgang mit ihm war nie einfach gewesen, doch jetzt machten Skullions Schweigen und seine häufigen Wutausbrüche Walter das Leben schwer. Stundenlang saß Skullion da, starrte das Gasfeuer im Kamin an, grübelte über seine Sorgen nach und überlegte, was zu tun war. »Dazu haben sie kein Recht«, konnte er dann laut und so heftig sagen, daß Walter zusammenfuhr. »Kein Recht wozu?« hatte er zunächst gefragt. »Geht dich nichts an«, fauchte Skullion zurück, und so gab Walter alle Versuche auf, darüber zu reden, was den Oberpförtner so aufgebracht hatte. Wenn Skullion jeden Morgen seine Meldung erstattete, fiel selbst dem Dekan auf – der sonst nicht allzu sensibel war, wenn es um anderer Leute Gefühle ging –, daß er sich verändert hatte. Der Pförtner erinnerte ihn so sehr an einen begossenen Pudel, daß der Dekan sich fragte, ob es nicht Zeit sei, ihn einzuschläfern, bis er sich klarmachte, daß ihn die Redensart irregeführt hatte und Skullion ein Mensch war. Mit seinem Hut in der Hand schlich Skullion ins Zimmer, murmelte »Gibt nichts zu melden, Sir« und schlich wieder hinaus. Und dem Dekan blieb das Gefühl, wortlos gerügt worden zu sein. Nach so vielen Jahren der Anerkennung war dies ein unangenehmes Gefühl, und es bedrückte den Dekan. Wenn man Skullion schon nicht einschläfern konnte, war es vielleicht an der Zeit, ihn in den Ruhestand zu versetzen, ehe sein neues schlechtes Benehmen seinen durch respektvolles Auftreten erworbenen makellosen Ruf ruinierte. Außerdem hatte der Dekan mit Sir Godbers Plänen schon genug Ärger am Hut und wollte sich nicht auch noch mit Skullions Privatproblemen herumschlagen.
Erwies Skullion dem Dekan nur geringen Respekt, so grenzte sein Verhalten gegenüber den anderen Fellows an Rebellion. Besonders der Schatzmeister hatte unter ihm – oder zumindest unter seiner Zunge – zu leiden, wenn er das Pech hatte, aus irgendeinem unvermeidbaren Grund im Pförtnerhaus vorbeizuschauen.
»Was wollen Sie?« fragte Skullion in einem Tonfall, der vermuten ließ, ihm wäre es am liebsten, der Schatzmeister würde um ein blaues Auge bitten. Anscheinend war dies das einzige, was Skullion ihm zu geben gewillt war. Seine Post bekam er jedenfalls nicht. Die kam regelmäßig mit zwei Tagen Verspätung, und Skullions Unvermögen, in der Telefonschaltzentrale die Gespräche des Schatzmeisters an die richtige Nummer weiterzuleiten, verschlimmerte dessen Gefühl, isoliert zu sein. Inzwischen freute sich anscheinend nur noch der Rektor, ihn zu sehen, und so beriet sich der Schatzmeister oft mit Sir Godber im Rektorhaus, obwohl er wußte, daß er selbst dort nicht uneingeschränkt willkommen war, wenn er Lady Marys Verhalten richtig deutete. Zwischen der Scylla Skullion und der Charybdis Lady Mary, von den Gefahren der offenen See in Gestalt der Fellows am High Table ganz zu schweigen, führte der Schatzmeister ein tristes Leben, das Sir Godbers Weigerung, die Beschränkungen seiner Pläne aufgrund der finanziellen Zwangslage des Colleges zu akzeptieren, nicht eben erleichterte. Während einer ihrer vielen Debatten übers Geld erwähnte der Schatzmeister Skullions ungewohnte Schroffheit.
»Skullion kostet uns ungefähr tausend Pfund im Jahr«, sagte er. »Mehr, wenn man die Einbußen durch das Haus in der Rhyder Street dazunimmt. Zusammengenommen verursachen die College-Bediensteten jährliche Ausgaben von 15 000
Pfund.«
»Skullion ist das jedenfalls nicht wert«, befand der Rektor, »außerdem finde ich sein Benehmen entschieden unverschämt.«
»Er ist wirklich sehr unfreundlich geworden«, stimmte der Schatzmeister zu.
»Nicht nur das, sondern mir mißfällt auch die besitzergreifende Haltung, die er gegenüber dem College einnimmt«, ergänzte der Rektor. »Man könnte meinen, der
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